Grenzenlose Versorgung - für viele Europäer bisher nur ein Randthema

Gesundheitsversorgung ohne Grenzen: das ist ein politisches Ziel im gemeinsamen Haus Europa. Viele EU-Bürger sind dafür allerdings wenig sensibilisiert. Sie haben andere Sorgen.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Österreichischer Rettungshubschrauber im Einsatz: Oft werden Patienten auch nach Deutschland transportiert. © imagebroker / imago

Österreichischer Rettungshubschrauber im Einsatz: Oft werden Patienten auch nach Deutschland transportiert. © imagebroker / imago

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BREGENZ. Der Rettungshubschrauber mit dem schwer Brandverletzten kreist 90 Minuten über Oberösterreich, doch der Arzt in der Maschine findet kein spezialisiertes Krankenhaus, das bereit wäre, den Patienten aufzunehmen. Grünes Licht kommt aus Großhadern, aber das liegt jenseits der Grenze in Deutschland. Der Helikopter muss deshalb notgedrungen zur Spezialklinik ins Nachbarland fliegen, dort wird der Patient nach der Landung umgehend versorgt.

"Nationales Entsetzen"

"Es war ein nationales Entsetzen, als dieser Fall bekannt wurde", berichtete jetzt die frühere österreichische Gesundheitsministerin und Ärztin Dr. Andrea Kdolsky (ÖVP) beim internationalen Kongress "Gesundheitspiazza" in Bregenz. "Wir brauchen in Österreich mehr Kliniken mit Abteilungen für Brandverletzte, wir wollen alles im eigenen Land haben"- das sei die Botschaft in den Medien gewesen, erinnert sich Kdolsky, die inzwischen aus der Politik ausgestiegen ist und für ein Beratungsunternehmen arbeitet.

Dabei sind grenzüberschreitende Notfalleinsätze zwischen Deutschland und Österreich keineswegs unüblich. Der Hubschrauber Christophorus Europa 3, seit Juli 2002 im oberösterreichischen Suben, direkt an der Grenze zu Bayern stationiert, wird gemeinsam vom Christophorus Flugrettungsverein (ÖAMTC) und für die deutsche Seite vom ADAC betrieben. Die Mannschaft der Rettungskräfte besteht zu gleichen Teilen aus Bayern und Österreichern.

Die Gesundheitspiazza in Bregenz hat eines klar gemacht: Bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung in Europa gibt es nicht nur gesetzliche Hindernisse. Vor allem in nicht-grenznahen Gebieten können viele EU-Bürger die besondere Bedeutung dieser Versorgung noch nicht zwingend erkennen.

Von Gesundheitsdienstleistungen im Ausland profitieren derzeit vor allem Menschen, die etwa bei Urlaubsreisen überraschend auf eine Akutbehandlung angewiesen sind. Die Europäische Krankenversicherungskarte garantiert, dass die Kosten abgedeckt sind.

Auf EU-Ebene werden die Initiativen für eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung verstärkt. Allerdings ist es im vergangenen Jahr nicht gelungen, die Regierungen auf eine einheitliche politische Linie zu Patientenrechten bei der grenzüberschreitenden Versorgung festzulegen. Die Spanier waren in Sorge, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur Kostenübernahme von Auslandsbehandlungen ihr Gesundheitssystem überfordern könnte. Viele ältere EU-Ausländer leben in Spanien und hätten dann dort auch ihren Krankenversicherungsschutz.

Unabhängig von den Entwicklungen auf EU-Ebene gibt es aber immer mehr Kooperationsvereinbarungen zwischen einzelnen Ländern. In der deutsch-niederländischen Grenzregion etwa kooperieren Universitäten, Fachhochschulen, Krankenhäuser und Rehakliniken. Und bereits 2007 haben Deutschland und Frankreich ein Abkommen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich in Kraft gesetzt.

Kantone blockieren sich gegenseitig

Also alles auf einem guten Kurs? In Bregenz zeigte sich, dass in vielen auch Nicht-EU-Ländern zunächst einmal Binnengrenzen überwunden werden müssen, die einer besseren Versorgung im Wege stehen. Heidi Hanselmann, Chefin des Gesundheitsdepartments und Mitglied der Regierung des Kantons St. Gallen, beklagte sich über zu viele Barrieren zwischen den einzelnen Kantonen der Schweiz, die eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens in ihrem Land massiv blockierten.

Und Ex-Ministerin Kdolsky wies auf gravierende Widersprüche an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung in Österreich hin. Ihre Botschaft: Solange Patienten freitags spät aus der Klinik entlassen werden und sich dann vergebens auf die frustrierende Suche nach einem Arzt machen, der ihnen ein Rezept für dringend benötigte Medikamente fürs Wochenende ausstellen soll, so lange wird das Thema grenzüberschreitende Versorgung für die Bürger wohl eher von untergeordneter Bedeutung bleiben.

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