"Auf den Anruf hatte ich lange gewartet"

Nierentransplantationen sind heutzutage keine große Sensation mehr. Vor über 30 Jahren sah das noch völlig anders aus. Damals bekam auch Gerhard Stroh in Heidelberg eine neue Niere transplantiert - und kann nun auch noch als Rentner aktiv am Leben teilnehmen.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:
Lebensqualität erhalten: Vor 30 Jahren bekam Gerhard Stroh (2. von links) eine neue Niere. Bei einem Pressetermin wurde er von Monika Jungmann, der ehemaligen Transplantationskoordinatorin für Nieren in Heidelberg (links), sowie Professor Jan Schmidt (2. von rechts) sowie Professor Martin Zeier (rechts) begleitet.

Lebensqualität erhalten: Vor 30 Jahren bekam Gerhard Stroh (2. von links) eine neue Niere. Bei einem Pressetermin wurde er von Monika Jungmann, der ehemaligen Transplantationskoordinatorin für Nieren in Heidelberg (links), sowie Professor Jan Schmidt (2. von rechts) sowie Professor Martin Zeier (rechts) begleitet.

© privat

HEIDELBERG. Morgens, kurz nach 11 Uhr, klingelte bei Gerhard Stroh im Februar 1981 an seinem Arbeitsplatz das Telefon. Eine Medizinerin am anderen Ende der Leitung erklärte ihm, eine geeignete Niere sei da, er solle sofort nach Wiesbaden in die DKD-Klinik kommen, die letzten Untersuchungen vornehmen lassen und weiter zur Operation ins Uniklinikum Heidelberg fahren.

"Ich hatte so auf den Anruf gewartet, doch da blieb mir die Stimme weg", berichtet er. Damals hoffte Stroh bereits seit drei Jahren auf eine Spenderniere.

"Abends um sieben lag ich bereits auf dem OP-Tisch. Vier Stunden später hatte ich meine neue Niere", erinnert sich Stroh. 38 Jahre war der gelernte Bürokaufmann damals. Drei Jahre lang drei Mal pro Woche hatte sich Stroh zuvor einer Dialyse unterziehen müssen, abends nach der Arbeit.

Seine Ehefrau war in dieser Zeit seine Krankenschwester, stand ihm zur Seite und säuberte oft stundenlang die Filter der Dialysemaschine. "Tagsüber ging ich arbeiten. Meine Kinder waren damals noch klein", erzählt der heute 68-Jährige.

1978 wurde Stroh von seinem Nephrologen zur Transplantation angemeldet. "Von da an bin ich bei jedem Klingeln des Telefons zusammengezuckt und habe gedacht, jetzt ist es soweit. Jetzt haben sie eine Niere für mich. Jetzt geht's los zur Operation".

Bei jedem "Fehlalarm" habe er sich getröstet: "Je länger es dauert, desto mehr Erfahrung haben die Ärzte mit solchen Transplantationen, habe ich mir selbst eingeredet."

Nierentransplantationen werden in Heidelberg bereits seit 1967 praktiziert. Insgesamt verpflanzten die Heidelberger Mediziner im vergangenen Jahr 148 Nieren, davon waren 53 Lebendspenden. Das Klinikum Heidelberg ist eines der bundesweit größten Zentren für Nierentransplantationen.

Sofern keine Lebendspende in Betracht kommt, beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf eine Transplantation etwa sechs Jahre, erklärt Professor Jan Schmidt, Leiter der Sektion Organtransplantation der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Bundesweit stehen etwa 8000 Menschen auf der Warteliste.

Stroh hatte Glück, dass für ihn schneller ein Spenderorgan gefunden wurde. "Ich hatte auf dem OP-Tisch einen Blutdruck von 230 zu 120", sagt er. Dennoch war er immer überzeugt: Es wird alles gut. Er sollte Recht behalten.

Ein halbes Jahr später saß der Industriekaufmann wieder an seinem Schreibtisch in der Firma. Nach seiner Pensionierung ist Stroh Vorsitzender der Selbsthilfegruppe "Niere Wiesbaden und Umgebung e.V." sowie Herausgeber des "Diatra-Journals", einer Fachzeitschrift für Nephrologie und Transplantation.

"30 Jahre mit derselben Spenderniere sind schon etwas besonderes", meint auch Professor Martin Zeier, Ärztlicher Leiter des Nierenzentrums Heidelberg, bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz in Heidelberg.

Oft würden die Organe nach einigen Jahren vom Körper wieder abgestoßen oder die Patienten an einer anderen Erkrankung sterben, berichtet er. "Gerhard Stroh profitierte von einem Organ, das aufgrund von Blutgruppe und Gewebemerkmale sehr gut zu ihm passte", so Zeier.

Stroh ist sich bewusst, wie viel Glück er hat. Dennoch bleibt er auch drei Jahrzehnte nach dem Eingriff vorsichtig: Alle sechs bis acht Wochen fährt er nach Wiesbaden und lässt sich dort im Dialysezentrum seine Blutwerte abnehmen und kontrollieren.

Mit den Organspende-Gesetzen in Deutschland ist Stroh unzufrieden. Er setzt sich für die "Widerspruchslösung" ein, nach der ausdrücklich gegen eine Entnahme von Organen gestimmt werden muss. "Jährlich sterben in Deutschland 1000 Menschen, die auf eine Transplantation warten. Das muss nicht sein!"

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