TV-Kritik

Bei "Hart, aber fair" haben endlich mal Ärzte Vorfahrt

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Gäste bei Frank Plasberg: Gesundheitsminister Daniel Bahr und Allgemeinarzt Jörg Oberheim.

Gäste bei Frank Plasberg: Gesundheitsminister Daniel Bahr und Allgemeinarzt Jörg Oberheim.

© Oliver Ziebe / WDR

"Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft" - so lautet das Motto des ARD-Formats "Hart, aber fair" mit Frank Plasberg. Selten ist dieser Anspruch so gut eingelöst worden, wie am Mittwochabend: "Der Doktor und das liebe Geld - wer rettet den Hausarzt von nebenan?" lautete der Titel der Sendung.

Eingeladen waren nicht nur die üblichen Verdächtigen aus Politik, Krankenkassen und Standesorganisationen. Vielmehr saßen neben den Berufspolitikern Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und der Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes Doris Pfeiffer auch zwei niedergelassene Ärzte: Haus- und Landarzt Jörg Oberheim aus Echte in Niedersachsen und Arno Theilmeier, Gastroenterologe aus Mönchengladbach.

Es war eine gute Entscheidung der Regie, zunächst die Ärzte von der Basis berichten zu lassen, um die Versorgungswirklichkeit auf dem Land, um deren Verbesserung es ja im GKV-Versorgungsstrukturgesetz geht, für die Zuschauer erlebbar zu machen. Denn einen authentischeren Vertreter der Landärzte als Jörg Oberheim hätte man kaum finden können.

Eloquent berichtete Oberheim von seiner Arbeit in Echte: 2500 Patienten im Quartal, vom Neugeborenen bis zum 101-Jährigen - "und wenn der Haussegen in der Familie schief hängt, dann wird auch das beim Hausarzt abgeladen".

Eine erfüllende Arbeit, wie Oberheim bemerkte - bei einem Arbeitstag von 7.30 bis 21 Uhr. Kassenleistungen im Wert von 15.000 Euro erbringt der Landarzt aus Echte nach seinen Angaben in jedem Quartal ohne Honorar - und seitdem die Nachbarpraxis zugemacht hat, sind es 30.000 Euro.

Auch bei unvermeidlich anfallender Mehrarbeit greift der Deckel des Budgets. Der selbst errechnete Stundenlohn der Arbeit: 30 bis 35 Euro. "Dafür braucht man ein Stück Idealismus", so Oberheim.

Es sind kleine Details, die es den Zuschauern transparent machten, warum es zu wenige Ärzte gibt, die bereit sind, aufs Land zu gehen: Wäre Oberheims 17-jährige Tochter bereit, die Praxis zu übernehmen? Die Antwort ist eindeutig: "Nicht bei der Belastung!"

Oder die Entfernung von der Praxis zu kulturellen oder schulischen Einrichtungen: Ein kleines Blitzlicht, das zeigt: Arbeit in der Stadt, das bedeutet auch mehr Lebensqualität und mehr Jobchancen für den Partner. Und das, obwohl es sicher Orte in Deutschland gibt, die viel weiter vom nächsten Gymnasium entfernt sind als die elf Kilometer in Echte. .

Übrigens: Auch im vermeintlich überversorgten Mönchengladbach hat Gastroenterologe Theilmeier einen 13-Stunden-Tag. Die Äußerungen der Politiker zu dieser Versorgungsrealität brachten dann weiteres Salz in die Suppe. Daniel Bahr verteidigte das GKV-Versorgungsstrukturgesetz: Mit 300 Millionen Euro will die Koalition Ärzte auf dem Land jährlich fördern.

"Dafür müssen wir bewusst auch Geld in die Hand nehmen", sagte Bahr. Beitragssatzrelevant werde das aber nicht. Doch reicht das aus? Bei 30.000 Landärzten wären das gerade einmal netto 40 Euro im Monat je Arzt, rechnete Karl Lauterbach vor. Der Stein der Weisen wurde natürlich auch bei "Hart, aber fair" nicht gefunden.

Eher überflüssig dann das letzte Drittel der Sendung über Kassenwettbewerb oder Kassenpleiten. Plasberg hatte hier außer Populismus - Kassenausgaben für Werbung in Höhe von 131 Millionen oder üppige Vorstandsgehälter bei jeder Krankenkasse - wenig zu bieten.

Etwas mehr Analyse zum Anteil der Verwaltungsausgaben im Verhältnis zur Kassengröße zum Beispiel, hätte da sicher nicht geschadet. Hier rückte Gesundheitsminister Bahr die Verhältnisse zurecht: Am Ende sollten die Versicherten entscheiden, wie viele Krankenkassen es im Wettbewerb geben soll - durch die Abstimmung mit den Füßen. Eine lehrreiche Sendung für alle Beteiligten.

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