Roboter

Neue Hoffnung für Querschnittsgelähmte

Innovation aus dem Pott: Im neu eröffneten Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining (ZNB) in Bochum eröffnen sich für querschnittsgelähmte Patienten völlig neue Perspektiven.

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Der Patienten trägt das 14-Kilo-schwere Gerät und ist mit Sensoren verkabelt.

Der Patienten trägt das 14-Kilo-schwere Gerät und ist mit Sensoren verkabelt.

© Roland Weihrauch / dpa

BOCHUM (dpa). Das europaweit erste Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining (ZNB) ist in Bochum eröffnet worden. Dort kommt ein Roboter-Anzug zum Einsatz, der Querschnittgelähmten wieder mehr Eigenständigkeit ermöglichen soll.

Entwickelt hat das System der Japaner Yoshiyuki Sankai von der Universität Tsukuba. Er war neben NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin bei der Eröffnung des neuen Therapie-Zentrums am vergangenen Montag zu Gast.

Der Roboter-Anzug ist aber kein Heilmittel und auch nicht für alle Querschnittsgelähmten geeignet.

Eine Querschnittlähmung ist verbunden mit einem Leben im Rollstuhl. Kleinste Hilfen für mehr Selbstständigkeit sind für die Patienten deshalb wichtige Hoffnungsbringer. Drei Patienten haben die neue Therapie-Möglichkeit in den letzten Monaten getestet.

Einer von ihnen ist Philippe von Gliszynski. Der Architekt war im Winter 2010 beim Schneeschaufeln auf einem Dach durch eine Luke gestürzt und drei Meter tief gefallen. Seitdem ist er ab dem zwölften Brustwirbel gelähmt.

In seinen Beinen, besonders im linken, hat er noch minimale Empfindungen. Nach einer Operation und den üblichen Reha-Maßnahmen war der 35-Jährige nach eigenen Angaben austherapiert.

Laufhilfe hat die Selbstständigkeit erhöht

"Für mich war zu diesem Zeitpunkt klar, dass sich mein Zustand nicht mehr verbessern wird." Die Aussicht: Ein Leben im Rollstuhl.

Umso freudiger und stolz zeigte Philippe von Gliszynski bei der Eröffnung des ZNB, welche Fortschritte er in kurzer Zeit gemacht hat.

Dank der japanischen Laufhilfe konnte der Architekt seine Selbstständigkeit erheblich steigern. Im Februar 2012 stoppten die Ärzte beim 10-Meter-Lauftest an einer Gehhilfe noch eine Zeit von 72 Sekunden.

Im Juni brachte es von Gliszynski auf 26 Sekunden. Er läuft jetzt an einem Rollator und ohne Roboter weit über 1000 Meter.

Möglich macht das die Lernfähigkeit des Körpers. Denn der Roboter braucht die Hilfe des Patienten. Der trägt das 14 Kilogramm schwere Gerät und ist mit Sensoren verkabelt.

Diese Kontakte auf der Haut liefern Impulse an den Roboter weiter, den zuvor das Gehirn in Richtung Beine geschickt hat.

Der Roboter führt dann die Schritte aus, die wegen der zu schwachen Nervenreize und der zu schwachen Muskulatur vom Körper verweigert wurden. Ist das Training dann tatsächlich erfolgreich, übernimmt der Körper wieder die Funktion des Roboters.

Bald werden zehn Roboter zur Verfügung stehen

Professor Thomas Schildhauer: "Wir beobachten durch das Training mit dem Anzug eine deutlich gesteigerte Mobilität, einen intensiven Muskelaufbau und ein höheres Aktivitätsniveau."

Der Ärztliche Direktor der Uniklinik Bergmannsheil schränkt aber ein: "Die zerstörten Nervenbahnen sind nicht verheilt. Und auch nicht für jeden Querschnittgelähmten ist das System geeignet." Aber auch Patienten mit spastischen Leiden sind eine mögliche Zielgruppe.

Das neue Zentrum ist angegliedert an das Universitätsklinikum Bergmannsheil. Nach der Testphase des «Hybrid Assistive Limb» (HAL) geht es jetzt in Bochum in die nächste Runde.

Zuerst stehen fünf, später sollen sogar zehn Roboter bereitstehen. Pro Woche müssen die Patienten an fünf Tagen zwei Stunden damit arbeiten.

Von Gliszynski hat als Bauleiter auf Baustellen gearbeitet. Das wird er nicht mehr können. Als Architekt aber will er weiter arbeiten. Das war vor einem halben Jahr für ihn noch unvorstellbar.

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