Bosnien 18 Jahre nach Kriegsende

Die Arbeit geht nicht aus

Der Krieg in Bosnien ist lange vorbei. Vielen Frauen, die damals vergewaltigt wurden, hilft Medica Zenica bis heute weiter.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
"Medica Mondiale"-Gründerin Dr. Monika Hauser präsentiert eine mobile gynäkologische Praxis. Dies ist ein Archivbild von 1999. Mit Praxen dieser Art hilft medica mondiale mittlerweile Frauen in vielen Krisengebieten weltweit.

"Medica Mondiale"-Gründerin Dr. Monika Hauser präsentiert eine mobile gynäkologische Praxis. Dies ist ein Archivbild von 1999. Mit Praxen dieser Art hilft medica mondiale mittlerweile Frauen in vielen Krisengebieten weltweit.

© dpa

KÖLN. Obwohl der Bosnien-Krieg seit fast 18 Jahren vorbei ist, geht den Mitarbeiterinnen von Medica Zenica die Arbeit nicht aus. Noch immer brauchen Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, die Hilfe des Frauentherapiezentrums.

"Die physischen Wunden sind verheilt, aber das psychische Leiden der Frauen dauert an", sagte die Leiterin von Medica Zenica Sabiha Husic, bei einer Veranstaltung anlässlich des 20-jährigen Bestehens von Medica Mondiale.

"Medica hat vielen Frauen geholfen, aber es sind noch Tausende, die auf ihre Hilfe warten", sagte Husic.

Die Gynäkologin Dr. Monika Hauser hatte das Therapiezentrum in der Stadt Zenica im April 1993 eröffnet, in dem damals rund 20 Ärztinnen und Psychologinnen tätig waren. Im Juni desselben Jahres gründete sie den Verein Medica, der seit 1995 Medica Mondiale heißt.

Die Frauenrechtsorganisation hat nach eigenen Angaben bislang rund 115.000 Frauen und Mädchen unterstützt. Zurzeit ist Medica Mondiale in Afghanistan, Albanien, Bosnien, Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, dem Kosovo, Liberia, Ruanda und Uganda aktiv.

In Bosnien bietet Medica Zenica Frauen gynäkologische Versorgung, psychosoziale Beratung und Rechtshilfe. Die Annahme der Hilfsangebote ist für viele nicht einfach. Sie fürchten, als verrückt zu gelten, wenn sie zur psychologischen Beratung gehen, berichtete Husic.

Auch fast 20 Jahre später haben viele vergewaltigte Frauen noch nicht über ihre Erlebnisse geredet. Das Thema ist tabuisiert, die Betroffenen werden stigmatisiert. "Die Gesellschaft möchte am liebsten vergessen, was mit den Frauen passiert ist."

Recht auf empathische Unterstützung

Es werde immer wieder behauptet, dass die Erinnerung an die Massenvergewaltigungen nicht gut sei für die Frauen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, betont Husic. Es werde keinen Frieden geben, solange diese Frauen keinen Frieden finden.

"Wenn wir uns nicht mit dem Trauma befassen, wird das Trauma nicht nur uns, sondern auch das Leben unserer Kinder beeinflussen und zerstören." Husic ist Islampädagogin und hat für die Arbeit bei Medica Zenica therapeutische Ausbildungen gemacht, unter anderem in der Traumatherapie.

Auf Basis der Erfahrungen bei Medica Zenica hat Medica Mondiale Standards für den Umgang mit traumatisierten Frauen entwickelt und ein Handbuch herausgegeben. Die traumatherapeutische Arbeit ist nicht nur für die Frauen in Bosnien wichtig, betonte Monika Hauser. "Sexualisierte Gewalt ist ein weltweites Phänomen."

Das gelte auch für Deutschland. Manche Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs vergewaltigt wurden, konnten die Geschehnisse bis heute nicht verarbeiten. Wenn diese alten Frauen jetzt in eine Pflegesituation geraten, in der sie sich hilflos und ausgeliefert fühlen, werden sie zum Teil retraumatisiert.

"Hier brauchen wir Qualifizierungsmaßnahmen für das Personal", forderte Hauser. Die Frauen hätten ein Recht auf empathische Unterstützung, auf geschützte Räume. "Als Zivilgesellschaft müssen wir die Verantwortung übernehmen", betonte die Ärztin.

Handlungsbedarf sieht sie auch bei der Vorbereitung deutscher Soldaten auf Auslandseinsätze. So hätten die Einsatzkräfte geschult werden müssen, bevor sie zur Ausbildung der einheimischen Soldaten nach Mali entsandt wurden, sagte Hauser.

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