Trostfrauen - ein Wort des Grauens

Rund 200.000 asiatische Frauen wurden während des Zweiten Weltkrieges nach China in japanische Militärbordelle verschleppt. Seit Jahren fordern die noch Lebenden eine Entschädigung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Demonstration vor der Japanischen Botschaft in Seoul: Jeden Mittwoch versammeln sich die Frauen hier.

Demonstration vor der Japanischen Botschaft in Seoul: Jeden Mittwoch versammeln sich die Frauen hier.

© Tsukasa Yajima

KÖLN. Wer die Bezeichnung "Trostfrauen" zum ersten Mal hört, kann sich kaum vorstellen, welches Grauen sich dahinter verbirgt.

Mit diesem beschönigenden Wort bezeichnen die Japaner jungen Frauen und Mädchen, die vom japanischen Militär während des von 1937 bis 1945 dauernden Asien-Pazifik-Krieges in den besetzten Gebieten verschleppt und zur Prostitution gezwungen wurden.

Ziel der brutalen Maßnahme: Die Soldaten bei Laune zu halten und damit ihre Kampfmoral zu erhöhen. Schätzungen gehen von rund 200.000 betroffenen Frauen aus Korea und anderen asiatischen Ländern aus. Nur 30 Prozent von ihnen überlebten die Tortur.

Drei Jahre im Militärbordell

Lee Ok-Seon ist eine von ihnen. Im Jahr 1942 wird sie in Ulsan in Südkorea auf offener Straße von mehreren Männern in ein Auto gezerrt und dann gemeinsam mit anderen Mädchen nach Yanji im Nordwesten Chinas gebracht. Da ist sie gerade einmal 14 Jahre alt.

Drei Jahre muss sie in einem Militärbordell bleiben, wo sie immer wieder zum Geschlechtsverkehr mit japanischen Soldaten gezwungen wird. "Es war ein Schlachthof", sagt die heute 86-Jährige bei einem Besuch bei der Frauenrechtsorganisation medica mondiale in Köln.

Die Organisation, die von der Gynäkologin Monika Hauser gegründet wurde, erhielt unter anderem 2008 den Alternativen Nobelpreis.

Nach der Kapitulation Japans 1945 fliehen die Betreiber des Bordells und lassen die Frauen zurück. Lee Ok-Seon hat kein Geld, lebt auf der Straße und ist schwer krank.

"Ich habe stark geblutet. Ein Mann hat mich gefunden und ins Krankenhaus gebracht." Die junge Frau hat sich im Bordell mit Syphilis und anderen Geschlechtskrankheiten infiziert. Ärzte entfernen ihre Gebärmutter, damit sie bessere Überlebenschancen hat.

Lee Ok-Seon bleibt in China - weil sie gar nicht gewusst hätte, wie sie nach Hause kommen sollte, und weil sie sich schämt. Sie heiratet und kehrt erst im Jahr 2000 nach dem Tod ihres Ehemannes nach Südkorea zurück.

Jeden Mittwoch Demo

Während der Jahre in China hatte sie keinen Kontakt zu ihrer Familie. Ihre Eltern hatten sie für tot erklären lassen. Es gelingt, einen Bruder ausfindig zu machen.

Seine Angaben helfen, ihr wieder einen koreanischen Pass zu verschaffen. Kontakt haben die Geschwister nicht. Der Bruder schämt sich, weil seine Schwester eine Zwangsprostituierte war.

Seit sie wieder in Korea ist, nimmt Lee Ok-Seon an den Demonstrationen von ehemaligen Zwangsprostituierten teil, die jeden Mittwoch vor der japanischen Botschaft in Seoul stattfinden.

Sie begannen Anfang der 1990er Jahre, nachdem die ersten Frauen an die Öffentlichkeit gegangen waren. Seitdem kämpfen sie für die umfassende Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der japanischen Geschichte und für staatliche Entschädigungszahlungen.

Manche japanische Politiker versuchen bis heute, das Thema schön zu reden. Noch im Mai 2013 hat der Bürgermeister von Osaka mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, das System der "Trostfrauen" sei nötig gewesen, um die Disziplin der japanischen Truppe aufrechtzuerhalten.

Dafür fehlt Lee Ok-Seon jedes Verständnis "Was sind das für Menschen, die so etwas sagen, wenn man sich ansieht, was damals passiert ist?", fragt sie.

"So fürchterlich und beschämend"

Trotz ihres hohen Alters will Lee Ok-Seon weiter auf ihr Schicksal und das ihrer Leidensgenossinnen aufmerksam machen.

"Andere Menschen sind nach dem Krieg befreit worden, ich nicht", betont sie. "Es war so fürchterlich und so beschämend, ich kann nicht anders, als weiter zu kämpfen."

Lee Ok-Seon lebt jetzt im "House of Sharing", einem betreuten Wohnprojekt für ehemalige Sexsklavinnen. Dort wurde in den 1990er Jahren betroffenen Frauen in Korea erstmals Unterstützung angeboten.

Sie habe sich früher immer bemüht, ihre Probleme selbst zu lösen, sagt Lee Ok-Seon "Ich habe versucht, mir selbst auf die Beine zu helfen."

Von der japanischen Bezeichnung "Trostfrauen" hat sie lange Zeit nichts gewusst. "Ich möchte nicht so genannt werden", betont die 86-Jährige.

"Wir sind keine Trostfrauen, wir haben Zwangsarbeit geleistet."

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