Sacharow-Preis

Kämpfer für vergewaltigte Frauen

Die Behandlung von Vergewaltungsopfern ist für ihn zur Lebensaufgabe geworden: Der kongolesische Frauenarzt Denis Mukwege ist mit dem Sacharow-Preis des EU-Parlaments ausgezeichnet worden.

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Denis Mukwege wurde heute von der EU mit dem Sacharow-Preis ausgezeichnet.

Denis Mukwege wurde heute von der EU mit dem Sacharow-Preis ausgezeichnet.

© Montgomery/dpa

STRAßBURG. Der afrikanische Frauenarzt Denis Mukwege hat heute in Straßburg den Sacharow-Preis des Europaparlaments entgegengenommen. Die Fraktionsvorsitzenden hatten sich im Oktober einstimmig auf den Kongolesen geeinigt.

Der 59-jährige Gynäkologe hat sich auf die Behandlung von Vergewaltigungsopfern spezialisiert und das Panzi Krankenhaus in Bukavu in der Demokratischen Republik Kongo gegründet.

Seit den 1990er Jahren hat Mukwege Tausende Frauen behandelt, manche von ihnen mehrmals. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert.

Weltweit führender Experte

Im vergangenen Jahr wurde die Friedensnobelpreisträgerin und heute 17-jährige Pakistanerin Malala Yousafzai ausgezeichnet, die in ihrer Heimat unermüdlich für ein Recht auf Bildung kämpft.

Was Frauen durchmachen und wie furchtbar sie verletzt werden können, wenn sie von einer ganzen Horde Männern vergewaltigt werden, weiß kaum ein Mann besser als Mukwege. In seiner von wiederholten Bürgerkriegen zerrissenen Heimat Kongo hat der 59 Jahre alte Gynäkologe Tausenden Opfern solcher Verbrechen geholfen.

1989 hatte er eigens im Panzi-Hospital von Bukavu im Osten des Kongo mit dem Aufbau einer Station für Gynäkologie und Frauenheilkunde begonnen. Längst gilt Mukwege als weltweit führender Experte für die Behandlung von Verletzungen, die durch Gruppenvergewaltigungen sowie durch gezielte physische Unterleibsschändungen verursacht wurden.

Dieser Arzt hat Wunden geheilt, wie Gynäkologen in anderen Teilen der Welt sie wohl nie oder wenn überhaupt nur höchst selten zu sehen bekommen: Unterleibsverletzungen, die mit Gewehrläufen, Bajonetten oder auch abgebrochenen Flaschen angerichtet wurden.

Bis zu zehn Operationen schafft der Arzt in seinem oftmals 18-stündigen Arbeitstag. Vielfach müssen alle inneren Organe der Frauen rekonstruiert werden.

Fast ebenso wichtig wie die Operationen ist aber auch die soziale und moralische Unterstützung der Vergewaltigungsopfer im Bemühen, sie sozial wieder zu integrieren. Mukwege bildet auch Frauenärzte aus, denen er seine speziellen Techniken beibringt.

Verbrechen gegen Menschlichkeit

Immer wieder bemüht sich der in Frankreich ausgebildete Gynäkologe auch, neben den physischen die psychischen Wunden der gequälten Mädchen und Frauen zu heilen. Als aktiver Menschenrechtler setzt er sich zudem auf politischer Ebene unermüdlich dafür ein, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit stärker verfolgt werden.

Das hätte Mukwege wohl fast das Leben gekostet. Wenige Wochen, nachdem er bei einer UN-Konferenz ein Ende der Straflosigkeit für Gruppenvergewaltigungen und mehr internationales Engagement zur Beendigung der bewaffneten Konflikte in seiner Heimat gefordert hatte, überfielen Bewaffnete im Oktober 2012 sein Haus in Bukavu.

Um ein Haar wäre er bei dem Anschlag von einer Kugel getroffen worden. Einer seiner langjährigen Mitarbeiter wurde von den Angreifern erschossen. Mukwege ging daraufhin ins Exil nach Europa.

Doch bald erreichten ihn Berichte, dass die Klinik ohne ihn kaum noch zurecht kommt. Anfang 2013 kehrte er deshalb nach Bukavu zurück - und wurde von den Einwohnern mit großem Jubel empfangen.

Für seine Verdienste erhält Mukwege jetzt den Sacharow-Preis des Europaparlaments. Die Fraktionsvorsitzenden hatten sich einstimmig auf den Kongolesen geeinigt, wie der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), in Straßburg sagte. "Gewürdigt wird der Kampf Mukweges für den Schutz von Frauen", sagte Schulz.

Der mit 50.000 Euro dotierte Sacharow-Preis für geistige Freiheit, der auch EU-Menschenrechtspreis genannt wird, wird seit 1988 vom Europäischen Parlament an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit einsetzen. (dpa)

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