Rollstuhlfahrer

Profi-Berater für Barrierefreiheit

Eine zu hohe Kante oder ein Tischbein an der falschen Stelle: Rollstuhlfahrer scheitern oft an Barrieren, ohne dass Wirte, Hotelbesitzer und Kinobetreiber davon wissen. Christoph Rieker will das jetzt ändern.

Von Julian Valachovic Veröffentlicht:
Treppe als Hindernis: Christoph Rieker vor dem Rathaus in Notzingen.

Treppe als Hindernis: Christoph Rieker vor dem Rathaus in Notzingen.

© Maurer/dpa

NOTZINGEN. Wenn Christoph Rieker mit seinem Rollstuhl unterwegs ist, stehen ihm oft Hürden im Weg. Selbst dann, wenn er ein Feierabendbier in der Kneipe genießen will.

"Wenn das Tischbein an der falschen Stelle ist, muss ich mich mit meinem Rollstuhl quer zum Tisch stellen", sagt der 36-Jährige aus Notzingen (Baden-Württemberg).

Doch das ist nicht das einzige Hindernis: Eine Treppe oder fehlende Haltegriffe an der Toilette bereiten ebenso Probleme. Rieker will über eine Internetseite darauf aufmerksam machen und Kneipen, Hotels und Einkaufszentren beraten, wie sie barrierefrei werden.

Gerd Weimer, Landesbehindertenbeauftragter in Baden-Württemberg, sieht einen "riesigen Handlungsbedarf" beim Thema Barrierefreiheit. Diese Problematik gebe es eigentlich nur, weil man früher den Fokus eher auf Exklusion gelegt habe, also Menschen mit Handicap in eigenen Einrichtungen unterzubringen versucht habe.

Heute merke man erst, dass das Thema Inklusion beim Bau von vielen Häusern keine Rolle gespielt habe. Und genau da setzt die Idee von Rieker an, der nach einem unverschuldeten Motorradunfall querschnittsgelähmt ist. Sie kam ihm während eines Urlaubs in Österreich.

Dort wohnte er mit seiner Familie in einer als barrierefrei gekennzeichneten Ferienwohnung. Trotzdem hatte der 36-Jährige mit einigen Hürden zu kämpfen.

Checkliste voller Kriterien

"Der Spiegel hing zu hoch, und es gab keinen festen Duschsitz in der Badewanne" sagt Rieker - und erinnert sich an die vielen Momente, in denen er improvisieren musste: "Ich habe dann einfach einen Gartenstuhl genommen und das ging dann schon."

Rieker erzählte das der Vermieterin und stieß auf ein offenes Ohr. "Sie wollte sogar noch weitere Tipps von mir, wie die Wohnung komplett barrierefrei wird."

So kam es, dass Rieker weiterempfohlen wurde und er im Auftrag mehrerer Tourismusverbände in Österreich weitere Zimmer testete. Den Kontakt hatte eine Agentur aus Österreich hergestellt, die für eine barrierefreie Zukunft wirbt.

Auf ihrer Website www.gabana.net dürfen sich nur Ferienwohnungen und Gaststätten registrieren, die Kriterien einer Checkliste erfüllen. Dazu gehört, dass Türen breit genug, Griffe an der Toilette richtig angebracht sind und Waschbecken unterfahren werden können.

Weil sich die Testaktion bewährt habe, will Rieker die Zusammenarbeit über Österreich hinaus ausweiten. Auf der Internetseite sollen sich auch deutsche Ferienwohnungen, Shopping-Center und Gaststätten informieren. Erfüllen sie die Punkte auf der Checkliste, können auch sie sich auf der Homepage registrieren.

Probleme in der Gastronomie

Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin des baden-württembergischen Landesverbands für Menschen mit Körperbehinderung, sieht vor allem in der Gastronomie noch Luft nach oben. "Wollen Sie mit einem Rollstuhlfahrer in ein Restaurant, überlegen Sie sich nicht, ob badisch oder schwäbisch - sondern ob es barrierefrei ist oder nicht."

Daniel Ohl vom Dehoga-Landesverband für das Gastgewerbe empfiehlt den Betrieben, sich dem Thema anzunehmen. Denn im Zuge des demografischen Wandels seien immer mehr alte Menschen auf barrierefreie Räume angewiesen.

Allerdings könnten nur wenige Gastwirte die mit einem Umbau verbundenen Kosten tragen. "Wenn man sein Lokal in einem alten Gebäude hat, ist das nicht gerade einfach zu erfüllen", meint er.

Rieker lässt sich davon nicht entmutigen, sondern setzt darauf, dass seine Vision zukunftsträchtig ist - und spielt ebenfalls auf den demografischen Wandel an: "Mancher Senior kann mit seinem Rollator an einem zu hohen Absatz scheitern."

In manchen Städten werde zwar schon viel unternommen. "Es geht aber noch um einiges besser." (dpa)

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