Social Freezing

Kinder kriegen ist später

Social Freezing, das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen, wird für immer mehr junge Frauen in Deutschland zur Option. Ein Ansturm auf die Praxen blieb bislang jedoch aus.

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Baby aus dem Eis? Das Social Freezing ermöglicht es Frauen, ihre Eizellen einzufrieren und den Kinderwunsch damit aufzuschieben.

Baby aus dem Eis? Das Social Freezing ermöglicht es Frauen, ihre Eizellen einzufrieren und den Kinderwunsch damit aufzuschieben.

© Sebastian Duda / Fotolia

BERLIN. "Ich will einfach Druck rausnehmen und Zeit gewinnen", sagt Joanna H. Die 35-Jährige ist Single und liebt ihren anspruchsvollen Job in der Hotelbranche. Aber sie will auch ein Kind, irgendwann in den nächsten Jahren.

Seit anderthalb Jahren denkt sie deshalb über Social Freezing nach und sieht darin wie viele andere Frauen mit grundsätzlichem Babywunsch vor allem eines: eine Option für den Fall, der hoffentlich nicht eintritt.

Lange Zeit war das Verfahren, Eizellen einzufrieren, um sie später auftauen und im Labor befruchten zu lassen, vor allem Krebspatientinnen vor einer schädigenden Therapie vorbehalten.

Doch als im Herbst die US-Unternehmen Apple und Facebook ankündigten, ihren Mitarbeiterinnen als Teil eines größeren Versorgungspaketes das Egg Freezing zu sponsern, bekam das Ganze auch hierzulande einen neuen Dreh.

Ein Ansturm auf die Praxen blieb bislang trotzdem aus. "Die Zahl der Interessentinnen ist gestiegen. Aber längst nicht jede Frau, die nachfragt, lässt den Eingriff tatsächlich machen", berichtet Sebastian Ellinghaus. Er betreibt profertilitaet.de, das mehrere Kinderwunschzentren bundesweit als vorgeschaltetes Infoportal nutzen.

Ellinghaus schätzt, dass es hierzulande nicht mehr als 1000 Anfragen pro Jahr gibt - und noch deutlich weniger Frauen den Schritt schließlich tun.

Das deckt sich mit der Einschätzung von Reproduktionsmedizinern, die von 500 Konservierungen im vergangenen Jahr ausgehen. Belastbare Zahlen dazu gibt es nicht.

Plan B für den Lebenstraum

In Berlin machten vor kurzem ein paar junge Frauen diesen Schritt öffentlich: Bei einer Werbeveranstaltung für die Zusammenarbeit zwischen einer Gruppe von Kinderwunschzentren (VivaNeo) und einer Eizellbank (Seracell) saß unter anderem die Unternehmerin Pia Poppenreiter (28) auf dem Podium.

"Ich habe es für mich gemacht", sagte Poppenreiter dem Online-Magazin Gründerszene. "Ich bin ein extrem ehrgeiziger Mensch und mir ist meine Karriere sehr, sehr wichtig."

Der Reproduktionsmediziner Sören von Otte bietet Frauen das Verfahren am Universitätsklinikum in Kiel seit Anfang 2014 an. Er steht hinter der Methode, aber warnt zugleich vor ihrer Einschätzung oder gar Bewerbung als "Babyversicherung".

"Es ist allenfalls eine chancensteigernde Maßnahme", sagt er.

Zwar überleben dank des modernen Vitrifikationsverfahrens, bei dem die Eizellen besonders schnell und damit schonend eingefroren werden, 85 Prozent der Zellen.

Allerdings bringt eine 35- bis 40-jährige Frau mit unerfülltem Kinderwunsch, der ein Mal Eizellen entnommen wurden, später nur in 20 bis 30 Prozent der Fälle ein lebendes Kind zur Welt.

Zwar dürfte die Quote bei rundum gesunden Frauen höher ausfallen - aber eine Garantie sieht anders aus.

Das betont auch Heribert Kentenich, der Leiter des Berliner Fertility-Centers. Seit zwei Jahren gehört Social Freezing dort zum Angebot.

"Es ist wichtig, die Frauen genau aufzuklären, vor allem, wenn sie planen, ohne festen Partner und mit Samenspende die Sache anzugehen."

Und neben dem psychosozialen Beratungsbedarf gebe es beim Social Freezing auch medizinische Einschränkungen. Denn viele Frauen kommen spät. "Drei Viertel der Interessentinnen sind Akademikerinnen zwischen 35 und 39 Jahren", sagt Kentenich.

Die hormonelle Stimulation der Eierstöcke, um die erforderlichen 10 bis 15 Eizellen zu "ernten", fällt mit Mitte 30 schon deutlich schwerer als mit 25. "Wir brauchen deshalb frühere Aufklärung über das Verfahren", betont von Otte, der die Möglichkeit auch hierzulande stärker publik machen möchte..

Kasse zahlt nichts

Für lau ist die vertagte Babyoption nicht zu haben: Mindestens 3500 Euro plus Lagerkosten sind fällig, die Krankenkasse bezahlt nichts.

Im optimalen Alter von 25 Jahren dürfte das für viele Frauen nicht leicht zu stemmen sein. Und doch: Das Thema ist da bei jungen Frauen.

Auch Joanna H. hat es in all seinen Schattierungen nicht allein im stillen Kämmerlein gewälzt. "Wir haben uns im Freundinnenkreis entschlossen, das jetzt gemeinsam anzugehen. Aber ich würde einer Tochter später sagen, dass sie früher darüber nachdenken soll."

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