Humor in der Arztpraxis

"Holleri du dödl di" und die Witzigkeit

Die weite Welt des Lachens: Kaum zu glauben, was die Wissenschaft zu diesem Thema bereits alles erforscht hat. Selbst die Wirkung von unsinnigen Wörtern wurde analysiert – aber auch wie Patienten Humor hilft.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Erheiterte Generationen von TV-Zuschauern: Vicco von Bülow alias Loriot.

Erheiterte Generationen von TV-Zuschauern: Vicco von Bülow alias Loriot.

© akg-images/dpa

NEU-ISENBURG. Stellen Sie sich vor, Sie begrüßten Ihre Patienten künftig mit einem fröhlichen "Holleri du dödl di". Einige wären wohl irritiert, andere beleidigt, mancher womöglich um Ihre geistige Gesundheit besorgt.

Die meisten Ihrer Patienten jedoch würden herzhaft lachen und darüber mutmaßlich sogar vergessen, aus welchem Grund sie in Ihre Sprechstunde gekommen sind.

Humor ist die beste Medizin - wissenschaftliche Studien haben diese Volksweisheit vielfach belegt: Lachen fördert die Durchblutung, baut Stress ab und stärkt unser Immunsystem.

In einem Experiment konnten Schweizer Wissenschaftler sogar nachweisen, dass der britische Komödiant Rowan Atkinson alias "Mr. Bean" kraft seines Humors Schmerzen lindert.

Forscher spüren dem Lachen nach

Warum uns unsinnige Wörter zum Lachen reizen, haben jetzt Wissenschaftler um den Psychologen Professor Chris F. Westbury von der University of Alberta im kanadischen Edmonton untersucht ("Journal of Memory and Language", 86, 2016, 141).

Dazu analysierten sie zunächst verschiedene Buchstabenkombinationen auf ihre Gebräuchlichkeit hin. Daraufhin kreierten sie Unsinnswörter mit einer möglichst hohen Abweichung zum herkömmlichen Sprachgebrauch.

Schließlich legten sie ihren Probanden jeweils ein Paar ihrer ausgedachten Wörter vor und baten sie zu bestimmen, welches der beiden lustiger ist.

Ergebnis: Je unerwarteter eine Buchstabenkombination, als desto witziger empfanden die Probanden das Wort. "Festzustellen, dass sonderbare Wörter lustig sind, ist nicht überraschend", kommentierte Studienleiter Westbury die eigenen Ergebnisse.

"Aber zu entdecken, dass es einen regelmäßigen und messbaren Zusammenhang zwischen ihrer Eigentümlichkeit und ihrer Lustigkeit gibt, ist ein interessanter Fund."

Erwartungshaltung der Patienten

In seinem Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" stellte der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1818-1883) fest, dass jedes Lachen "aus Anlass einer paradoxen und daher unerwarteten Subsumtion" entsteht, "gleichviel, ob diese durch Worte oder durch Taten sich ausspricht".

In der eingangs beschriebenen Begrüßungsszene widersprächen Sie der Erwartungshaltung Ihrer Patienten gleich in doppelter Hinsicht: indem Sie als Arzt in die Rolle des Clowns schlüpfen und dabei überdies ein Nonsenswort gebrauchen, das für sich genommen schon lustig klingt.

Sie könnten auch mit Hape Kerkeling "Hurz!" schreien oder eine beliebige Zeile aus Kurt Schwitters "Ursonate" zitieren wie beispielsweise "Fümms bö wö tää zää Uu" - der Effekt wäre derselbe.

In der Psychotherapie wird Humor seit Jahren gezielt eingesetzt, um beispielsweise depressionstypischen Verhaltensweisen entgegenzuwirken oder Patienten mit Angststörungen die Furcht zu nehmen.

Professor Barbara Wild, Tübinger Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Autorin des Werks "Humor in der Psychotherapie", hat in ihrer therapeutischen Praxis erfahren, dass es Arachnophobikern schon helfen kann, wenn sie sich Spinnen im Ballettkostüm vorstellen - ein Kniff, den auch die britische Autorin Joanne K. Rowling im dritten Teil ihrer Harry-Potter-Saga einsetzt, in dem ein Zauberlehrer seine Schüler dazu anleitet, sich der eigenen Irrwichte (oder Schreckgespenster) zu entledigen, indem sie sie lächerlich machen.

Humoranwendung in der Therapie

Der US-amerikanische Humorforscher Waleed A. Salameh weist in seiner "Humor Rating Scale" allerdings darauf hin, welche Humoranwendung in der Therapie erlaubt und welche besser vermieden werden sollte.

Zu letzteren zählen beispielsweise sarkastische, ironische und den Patienten entwertende Bemerkungen. Hilfreich dagegen sei Humor, der auf kreative Weise die Einsichtsfähigkeit der Patienten fördere oder jene dazu anrege, ihren eigenen Humor zu kultivieren.

Machen Sie sich also im besten Falle darauf gefasst, dass Ihr Patient auf Ihre dem berühmten "Jodeldiplom" von Loriot entliehene Begrüßung "Holleri du dödl di" mit einem ebenso fröhlichen "Diri diri dudl dö" antwortet.

Sollten Sie bei ihm später einen erhöhten Blutdruck messen, können Sie einigermaßen sicher sein, dass es sich nicht um eine Weißkittelhypertonie handelt.

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