Eckart von Hirschhausen

Botschaften eines "Wunderheilers"

Zu viele Menschen verlaufen sich im Irrgarten der Medizin: Der Comedian und gelernte Arzt Dr. Eckart von Hirschhausen will ihnen mit seinem Programm "Wunderheiler" Orientierung geben.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Spektakuläre Blinddarm-Op: "Wunderheiler" Eckart von Hirschhausen bei der Arbeit.

Spektakuläre Blinddarm-Op: "Wunderheiler" Eckart von Hirschhausen bei der Arbeit.

© HERBERT Management

MAINZ. Woher weiß eigentlich die Kopfschmerztablette, wo der Kopf ist? Zugegeben, auf den ersten Blick ist das eine ziemlich merkwürdige Frage, mit der Dr. Eckart von Hirschhausen die Besucher seines aktuellen Tourneeprogramms "Wunderheiler" konfrontiert.

Der gelernte Arzt und Kabarettist will an diesem Abend von den Menschen in der Mainzer Rheingoldhalle aber noch viel mehr wissen - und löst dabei immer wieder spontanes Gelächter aus: "Ist in letzter Zeit jemand in ihrer Familie an Skorbut gestorben?" Meine Güte, wer will da noch ernst bleiben?

Hirschhausen ist derzeit mit seinem Stück "Wunderheiler" in Deutschland und Österreich unterwegs - ein Programm mit Sologesang und Massenchoreinlagen, mit Tanz, Klamauk und Zaubertricks.

Zwischendurch präsentiert er harte medizinischen Fakten - mal wirken sie skurril und absurd, oft sind sie seriös und machen nachdenklich.

Ein Parforce-Ritt

Den alten Konflikt zwischen Schul- und Alternativmedizin will der Humor-Doktor zum Thema machen und sich - damit keine Mißverständnisse auftreten - von vorneherein klar positionieren: Er sei "auf der Seite der Guten, denn die gibt es auf beiden Seiten".

Ein Parforce-Ritt durch die Geschichte der Medizin beginnt. Was heute Arzt, Apotheker, Dealer und Therapeut erledigen, habe früher alles der Schamane gemacht, erläutert er, und animiert die Zuschauer im Saal, vertraute Lieder mitzusingen. "Wunder gibt es immer wieder" zum Beispiel, den Eurovisions-Song von Katja Ebstein aus dem Jahr 1970.

Nur: Gibt es diese Wunder tatsächlich, und, wenn ja, wer sorgt dafür, dass sie geschehen? Der Schamane? Die Schul- oder Alternativmedizin? Der Mensch, der seinem Mitmenschen solidarisch begegnet - mit Zuwendung und Empathie?

Dreister Betrug

Auf der Bühne geht die Post ab. Zunächst einmal muss die Welt des Schamanismus dran glauben. Eine Welt der Wunder - aber nur auf den ersten Blick: Hirschhausen holt einen jungen Mann nach vorne, die Op-Liege ist schon aufgebaut. Es beginnt eine blutige, spektakuläre Blinddarmentnahme - ohne Narkose, denn die ist vollkommen überflüssig.

Bei älteren Besuchern werden Erinnerungen wach. War da nicht etwas vor 20, 30 Jahren? Richtig! In deutschen Fernsehstuben sorgten damals dubiose philippinische Naturheiler für Aufregung.

Sie behandelten Schwerkranke, indem sie mit bloßen Händen scheinbar in deren Körper eindrangen und Organe herausholten. Hinterher wurde klar: Das war kein Wunder der Willenskraft, sondern dreister Betrug!

Hirschhausen steigert diesen Klamauk: Er holt nach dem Blinddarm auch noch ein Quietsche-Entchen aus dem Bauch des Publikumsgastes. Der wischt sich die Farbe vom Körper und verlässt wie ein König die Bühne. Gut gemacht, donnernder Applaus.

Wenn Hirschhausen austeilt, bekommt jeder sein Fett weg - und die Vertreter der Schulmedizin werden dabei nicht ausgenommen: "Röntgenärzte schaffen es, mit exakt zwei Sätzen über 40 Berufsjahre zu kommen, nämlich: Tief einatmen und nicht atmen!", weiß er aus Erfahrung. Ärzte, die darüber hinaus Patienten zusätzlich zum "Weiteratmen!" aufforderten, seien schon Internisten.

Frühstücksei? Kein Problem!

Weiter im Programm. Was taugt die Alternativmedizin? Ein ironischer Blick in den therapeutischen Alltag vermittelt neue Erkenntnisse: Hoher Cholesterinspiegel? Kein Grund, freiwillig aufs Frühstücksei zu verzichten!

Eine Prise Schüssler-Salz aufs Ei wirkt Wunder - das Cholesterin tritt die Flucht an. Yoga für jeden? Zumindest für Männer ein Muss: "Du bist dort stets der einzige Typ unter Frauen - die machen Verrenkungen, da wirst du in der Ehe drum betteln."

Hirschhausen hat Medizin mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes an der FU Berlin, der Uni Heidelberg und in London studiert.

Auf der Bühne kommt er nicht wie ein Oberlehrer daher. Dass es Menschen gibt, denen (pseudo)-medizinische Methoden helfen, die keiner auch nur halbwegs kritischen Prüfung standhalten, hält er nicht für abwegig.

Und doch hat der Kabarettist eine klare Botschaft: Sei kritisch, glaub nicht alles, was man dir erzählt, wenn's um deine Gesundheit geht! Schalte nie deinen gesunden Menschenverstand aus!

Fünf wichtige Fragen

Zumindest für einen Augenblick wird Hirschhausen dann richtig ernst. Jeder Patient sollte sich vor einer geplanten medizinischen Intervention fünf Fragen stellen, sagt er. Wo ist der Nutzen? Wo ist der Schaden? Wo ist der Beweis? Was passiert, wenn nichts gemacht wird? Und: Würde sich mein Arzt selbst diesem Eingriff unterziehen, wenn er betroffen wäre?

Die Show neigt sich dem Ende zu. "Heile, heile Gänschen, es ist bald wieder gut...", lässt der gelernte Arzt die Besucher singen. Ein Ohrwurm aus der Fassenacht ohne jede Botschaft, könnte man denken.

Für den Kabarettisten jedoch ist der Song "hoch intelligent komponierte psychosomatische Grundversorgung": Ein Mensch, der leidet, braucht Zuwendung, er braucht das Gefühl, dass ihm jemand wohlwollend über den Kopf streicht - heile, heile Gänschen eben - eine Botschaft, die gut tut.

Am Ende des Abends wird klar: Wunderheiler können durchaus auch Menschen sein, die bei allen Verwerfungen des Alltags den Sinn fürs Wesentliche nicht verlieren: für Solidarität, Zuwendung und Mitmenschlichkeit. Hirschhausen wird in den nächsten Monaten mit seinem Programm noch auf vielen Bühnen im Land unterwegs sein.

Er will medizinische Inhalte mit den Mitteln des Humors vermitteln. In Mainz hat das gut funktioniert. Donnernder Applaus. The show must go on!

Weitere Tourneetermine: www.hirschhausen.com

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