Mobbing

Ehemaliges Opfer hilft Schülern und Lehrern

Jahrelang wurde Benjamin Fokken aus Niedersachsen in der Schule gemobbt. Doch dann wehrte er sich - mit einem Internetvideo und einem Buch.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Benjamin Fokken zeigt das Video, mit dem er bekannt wurde.

Benjamin Fokken zeigt das Video, mit dem er bekannt wurde.

© Ingo Wagner / dpa

NEU-ISENBURG. Seine ganze Schulzeit hindurch wurde der heute 20-jährige Benjamin Fokken ausgegrenzt, gehänselt und schikaniert. Ein Schulkamerad ging noch weiter und verspottete den Feuertod von Benjamins kleinem Bruder. "Gieß doch Benzin über das Grab deines Bruders, dann verbrennt er noch einmal!". Jahrelang lebte Benjamin mit der Demütigung. Seinen Eltern erzählte er lange nichts davon, zu groß waren Scham und Wut.

Irgendwann beschloss Benjamin, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen und das Schweigen zu durchbrechen. Er drehte ein Video, mit dem er auf die Situation von Mobbing-Opfern aufmerksam machen wollte,und stellte es ins Internet.

Das Video stieß auf großes Interesse; mittlerweile haben mehr als fünf Millionen Menschen den 1,44 minütigen Clip gesehen. Offenbar hatte Benjamin Fokken einen Nerv getroffen; er wurde in Talkshows eingeladen und erzählte seine Geschichte einer breiten Öffentlichkeit.

Schließlich schrieb er, unterstützt von Welt-Redakteur Dennis Betzholz, sogar ein Buch über seine schmerzhaften Erfahrungen ("Ich bin ich und wir sind viele!"), in dem er Einblicke gibt und Tipps für Betroffene gesammelt hat.

Hoffnungsträger für viele Mobbing-Opfer

Benjamin Fokken wurde durch sein Video zum Internetstar und zum Hoffnungsträger für viele junge Mobbing-Opfer. Denn der Psychoterror ist an Schulen zu Hause, davon ist der Buchautor überzeugt.

Die Zahlen geben ihm Recht: 2015 ließ die Techniker Krankenkasse (TK) über eine Forsa-Umfrage unter Eltern erheben, wie viele Kinder und Jugendliche in der Schule gemobbt werden.

Zwölf Prozent der Eltern gaben an, dass ihre Kinder in der Schule unter Mobbing leiden. Acht Prozent sagten, ihre Kinder klagten regelmäßig vor der Schule über Kopf- oder Bauchschmerzen.

Das hat die TK Rheinland-Pfalz zum Anlass genommen, gemeinsam mit dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur eine Sonderauflage des Buches herauszugeben. 1000 Exemplare gehen direkt an die weiterführenden Schulen des Landes.

Bei der Präsentation der Sonderauflage sagte die amtierende Bildungsministerin Vera Reiß: "Es ist auch eine Fürsprache für das eigene Selbst, ein Plädoyer dafür, sich nicht verbiegen und beirren zu lassen." Sie betonte, wichtiger Bildungsinhalt in der Schule sei neben dem fachlichen Lernstoff auch, wie man sich achtsam und respektvoll verhalte.

Benjamin Fokkens Geschichte ergänze die bereits vorhandene breite Palette von Materialien, Projekten und Programmen im Bereich der Gewaltprävention, indem sie einem abstrakten Begriff ein persönliches Gesicht gebe.

Fokken hätte Clip fast nicht hochgeladen

Benjamin Fokken, der zur Präsentation von Niedersachsen nach Mainz reiste, erklärte, er hätte den Clip fast nicht hochgeladen: "Als ich mein Video ‚gegen Mobbing‘ gedreht hatte, war ich mir erst nicht sicher, ob ich es im Netz veröffentlichen soll. Ich hatte Angst erneut angegriffen zu werden. Nie hätte ich gedacht, dass es Menschen so positiv aufnehmen."

Bereits seit 2010 setzt sich die rheinland-pfälzische TK gemeinsam mit dem Bildungsministerium gegen Mobbing ein. Das TK-Präventionsprogramm "Mobbingfreie Schule - gemeinsam Klasse sein!" wird mittlerweile an rund 700 Schulen des Landes umgesetzt.

Lesen Sie dazu auch: Psycho-Stress: Wenn der Arzt zum Mobber wird

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