Drogerie der 30er bis 60er

Griff in die Trickkiste der Allheilmittel

Kopfläuse, Kartoffelkäferplage oder Rheuma: Alles ist behandelbar mit Produkten aus der Drogerie. Das zumindest suggerieren Werbeplakate, die zurzeit in einer Ausstellung im Schloss Bad Pyrmont zu sehen sind.

Von Ursula Jung Veröffentlicht:
Angepriesen als „ausgezeichnetes Heilmittel“: Katzenfelle gegen Rheuma.

Angepriesen als „ausgezeichnetes Heilmittel“: Katzenfelle gegen Rheuma.

© Bernd Schönebaum

BAD PYRMONT. Das waren noch Werbe-Zeiten: In die Drogerie-Reklamewelt der 30er bis 60er Jahre entführt eine aktuelle Ausstellung im Schloss Bad Pyrmont.

Das Spektrum der Exponate reicht von altbekannten und bewährten Markenartikeln von Beiersdorf, Klosterfrau oder Mapa bis hin zu längst vom Markt verschwundenen Artikeln und Firmen. Ihre Existenz verdankt die Sammlung Bernd Schönebaum, der als junger Mann diesen Schatz der Werbegrafik entdeckte und sicherte.

Denn er war Retter in letzter Sekunde: Im niedersächsischen Springe betrieb Oswald Keutner ab den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts eine Drogerie. Ausrangierte Werbepappen und Schriftverkehr lagerte er in einer alten Scheune, die Mitte der 80er-Jahre abgerissen werden sollte.

Als die Abrissbagger schon im Anmarsch waren, rettete Bernd Schönebaum das Werbematerial, das er dann im Laufe der Jahre restaurierte und katalogisierte.

Vier Jahrzehnte Drogeriewerbung

Die Ausstellung

Noch bis zum 29. Mai 2016 läuft die Ausstellung „Drogerie Reklamewelten. Eine Zeitreise durch vier Jahrzehnte“ im Museum im Schloss Bad Pyrmont.

Kurator und Eigentümer Bernd Schönebaum bietet am 22. Mai eine Sonderführung durch die Ausstellung an.

Als Wanderausstellung sind die Exponate seit Juli des vergangenen Jahres in verschiedenen Städten zu sehen.

Aufwändige Recherchen standen an, eine Sisyphusarbeit, um beworbene Produkte auch entsprechenden Unternehmen zuzuordnen, die zum Teil längst nicht mehr existierten. Allerdings erhielt der Sammler auch Kaufangebote, denn selbst Firmenarchive verfügen nicht immer über eine komplette Dokumentation ihrer Werbemaßnahmen.

Zusammengetragen hat Schönebaum einen spannenden, unterhaltsamen Mix aus vier Jahrzehnten Drogeriewerbung, der zusammen mit den Informationen über Firmen und Produktgeschichte einen Einblick in vergangene Konsumwelten erlaubt.

Die Ausstellung präsentiert Werbung aus der Vorkriegszeit, den vom Mangel geprägten Jahren nach Kriegsende und dem sich anbahnenden Wirtschaftswunder.

Der Beruf des Drogisten stand lange Zeit in Konkurrenz zum Apotheker und hat durch die Verbreitung von Drogeriemärkten in den letzten 40 Jahren nicht nur an Bedeutung verloren, sondern auch eine radikale Wandlung des Berufsbildes vollzogen.

Spiegel des Zeitgeists

Die früheren Fachdrogerien boten ein breites Sortiment von Körperpflege- und Hygieneprodukten bis hin zu Fotografiezubehör. In den Regalen waren aber auch Babykost, Haushaltswaren und Gesundheitsbedarf zu finden. Eine umfangreiche Palette offerierte alles für Garten und Vieh.

Zudem durfte der Drogist kosmetische Produkte selbst herstellen und aufgrund einer kaiserlichen Verordnung aus dem Jahr 1872 auch Kräuter wieder als Arzneidrogen verkaufen.

Diese Vielfalt des Angebots spiegelt sich auch in der Werbung wider. Die Plakate zeigen Ausschnitte der Geschichte der Werbegrafik und bringen den Zeitgeist in bunten Bildern zum Ausdruck: Die Hausfrau bei der Erfüllung der häuslichen Pflichten für ein sauberes Heim.

 Drogerieartikel wie das milde Spülmittel oder das duftende Waschmittel unterstützten sie dabei. Die Handcreme pflegte die Hände und wenn bei der Hausarbeit etwas schief ging, konnte die Wunde mit Hansaplast versorgt werden.

Männer konnten sich natürlich auch verletzen, allerdings nicht mit dem Küchenmesser, sondern mit der Säge.

Die frühen Werbemotive kamen häufig mit dem erhobenen Zeigefinger daher und spielten mit den Ängsten der Konsumenten. So warb der Leverkusener Bayer-Konzern für das Pflanzenschutzmittel Potasan mit einem überdimensionierten Kartoffelkäfer.

Auch Katzenfelle wurden beworben zur Linderung bei vielen Beschwerden. Bis in die 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts waren die Tierfelle in Drogerien und Apotheken erhältlich. 2007 hat die EU mit dem Verbot des Imports von Haushunde- und Hauskatzenfellen dem Handel allerdings entgültig einen Riegel vorgeschoben.

Weitere Informationen zur Ausstellung: www.museum-pyrmont.de www.wirtschaftswunderwerbung.com

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