Dr. Matthias Fittkau

Ein Herzchirurg in der Welt der Weine

Sein Beruf als Herzchirurg macht Dr. Matthias Fittkau Spaß - auch deshalb, weil er nur noch in Teilzeit arbeitet und sich einen Herzenswunsch erfüllt hat: Er wurde Inhaber eines Weingeschäfts.

Von Annette Kaltwasser Veröffentlicht:
Dr. Matthias Fittkau vom Klinikum Nürnberg-Süd in seinem Weinladen.

Dr. Matthias Fittkau vom Klinikum Nürnberg-Süd in seinem Weinladen.

© Annette Kaltwasser

NÜRNBERG/MÖHRENDORF. "Die Erwartungshaltung an unser Können ist hoch - und keiner kommt freiwillig."

So skizziert der Herzchirurg Dr. Matthias Fittkau seinen Berufsalltag. Der Druck sei enorm, "alles wird auf den Operateur fixiert."

Der 48 Jahre alte Oberarzt am Klinikum Nürnberg Süd hatte im Laufe der Zeit "zuviel Belastendes aus der Klinik mit nach Hause genommen" und gespürt, dass "meine Kompensationsmechanismen zu versagen drohten".

Ähnliches, so Fittkau, habe er von vielen Menschen in der freien Wirtschaft immer häufiger gehört. Dabei wollte er es aber nicht belassen und zog für sich Konsequenzen: Der Arzt spielte mit offenen Karten, ging zu seinem Chef Professor Theodor Fischlein und äußerte den Wunsch, nur noch in Teilzeit zu arbeiten.

Ein Teilzeit-Arbeitsmodell

Eine eigene Weinhandlung mit Weinbar - das war schon immer seine Idee gewesen. Nach dem "Ja" des Chefs zum Teilzeit-Arbeitsmodell setzte er diesen Plan in die Tat um. Fischlein und Fittkau kennen sich seit 20 Jahren und haben "ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis". Aber auch von Oberarztkollegen, die nun viele seiner Rufdienste übernehmen mussten, habe er grünes Licht bekommen.

Der Kardiochirurg suchte sich Räumlichkeiten für seine "La Cantinetta del Cuore", die er in der Gemeinde Möhrendorf mit etwa 5000 Einwohnern im Landkreis Erlangen-Höchstadt fand.

Eigenhändig baute er Weinregale ein, zog Mauern hoch, gestaltete so einen kleinen, ansprechenden Barbereich. "Basteln und Werkeln" habe ihm schon immer Spaß gemacht - egal, ob es um die Fahrradreparatur für eines seiner vier Kinder ging oder sein feinmotorisches, handwerkliches Geschick gefragt war, das ohnehin im Beruf - zum Beispiel bei einer aortalen Rekonstruktion am OP-Tisch - zum Arbeitsalltag gehört.

Der "kleine Weinkeller des Herzens" wurde im Dezember 2014 eröffnet. "Ein Zentrum für koronare Primärprophylaxe", sagt Fittkau lachend - genau diese Bezeichnung träfe für seinen Laden zwar den Kern der Sache, hätte sich aber vielleicht doch nicht so gut als Name gemacht.

Eine Goldgrube sei der Weinkeller, in dem ein Sortiment mit 300 Weinsorten angeboten wird, "leider nicht". Noch sei es nicht das Niveau, "dass es sich halten kann". Seine halbe Oberarztstelle hat er wieder auf 75 Prozent der Arbeitszeit aufgestockt. Entmutigen lässt er sich dennoch nicht.

Liebe zum Wein aus Studentenzeit

"Ich kenne keinen anderen Herzchirurgen, der in Teilzeit arbeitet", sagt Fittkau, "und dies war auch primär nicht mein Lebensplan". Es waren die vielen Extremsituationen bei seiner herzchirurgischen Tätigkeit, die diese Entscheidung begünstigten.

Zum Beispiel eine nächtliche Notoperation eines zehn Monate alten Säuglings, der eine Batterie verschluckt hatte und mit Aortenperforation eingeliefert wurde. Das Baby konnte nicht mehr in die Kinderkardiochirurgie nach Erlangen transportiert werden.

Da habe er die Operation noch telefonisch en detail mit dem Kinderkardiochirurgen durchgesprochen und den kleinen Menschen selbst operiert. Das Kind konnte gerettet werden.

Stress hat viele Facetten. Als ihm eines Nachts ein Kollege mit einer Aortendissektion zur Notfalloperation auf dem Tisch lag, da "stand ich unter enormem psychischen Druck, weil ich ihn persönlich kannte". Auch dieser Eingriff war erfolgreich.

Und jetzt ist sein Berufsalltag zweigeteilt. Hier der OP, dort der Weinkeller. 80 Prozent des Sortiments bezieht er über einen befreundeten Weinimporteur. Etwa 20 Prozent stammen aus dem Direktbezug von Weingütern, die er selbst kennt.

Die Liebe zum Wein stamme aus der Studentenzeit: Zu viert hätten sie mit wachsender Begeisterung Weinproben besucht und sich sukzessive in die Weinkultur eingearbeitet.

Eigentlich sollte in Möhrendorf nur ein "Weinladen" entstehen. Dabei blieb es aber nicht: Kaffee, Kulinarisches samt Weinproben, bei denen erlesene Tropfen präsentiert werden, kamen mit ins Angebot.

Arbeit macht wieder Spaß

Und wie sieht Fittkaus Zwischenbilanz aus? "Ich habe den nötigen Abstand zum belastenden Arbeitsalltag gefunden und gleichzeitig erkannt, dass ich den richtigen Beruf habe", sagt er.

Die Arbeit macht ihm wieder Spaß, "ich bin in der Lage, Patienten und Angehörigen mit all ihren Sorgen rund um die Operation adäquat zu begegnen."

"Das", weiß Fittkau, "ist eine Fähigkeit, die Chirurgen an sich nicht immer zugestanden wird".

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