Schädel-Öffnungen

Gab es schon spezialisierte Chirurgen vor 6000 Jahren?

Wissenschaftler haben in Russland 6000 Jahre alte Schädel mit chirurgischen Schädeleröffnungen entdeckt. Anthropologen vermuten rituelle Gründe für die hoch riskante Operation mit einfachsten Mitteln.

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Schon in der Bronzezeit konnten Menschen Schädel-Ops durchführen.

Schon in der Bronzezeit konnten Menschen Schädel-Ops durchführen.

© maxoidos / Fotolia

BERLIN. Warum ließen sich Menschen in der Bronzezeit in Südrussland den Schädel öffnen, unterzogenen sich einer Operation, die ohne die modernen medizinischen Methoden, ohne Anästhesie, gefährlich - wenn nicht sogar tödlich ist? Ein Team deutscher und russischer Anthropologen fand 13 Schädel mit einem Trepanationsloch an identischer Stelle am Schädel.

Obwohl diese Stelle aus anatomischen Gründen das höchste Operationsrisiko hat, überlebten die meisten der Patienten den Eingriff. Die spezielle Lokalisation und die Tatsache, dass keine Spuren von Trauma oder Krankheiten am Schädel sichtbar waren, lässt zudem einen rituellen Hintergrund der Operation vermuten.

Trepanationen seit mehr als 10 000 Jahren

Trepanationen sind ein spektakulärer Fund in prähistorischen Skeletten, denn sie belegen die frühen medizinischen Kenntnisse und Fertigkeiten der Menschen seit mehr als 10 000 Jahren. Es gibt viele Gründe für die Eingriffe, sie reichen von medizinisch indizierten Operationen bis zu rituellen Motiven.

Schwierig bis meist unmöglich ist es, die Gründe für eine Operation an einem Schädel zu erkennen: Ist die Ursache ein Trauma, sind möglicherweise noch Bruchlinien am Schädel zu sehen, handelt es sich um eine Krankheit wie Epilepsie oder Migräne oder um rituelle Gründe, sind am Knochen keine Hinweise auf den Operationsgrund sichtbar.

Im Rahmen eines Projekts des Deutschen Archäologischen Institutes mit russischen Kooperationspartnern sind in den letzten Jahren in Südrussland intensive Forschungen zu bronzezeitlichen Bestattungen durchgeführt worden. Bei den anthropologischen Untersuchungen wurden an 13 Schädeln Trepanationen gefunden, die durch ein gemeinsames Merkmal auffielen: Alle Löcher lagen an derselben Stelle, mittig, leicht oberhalb des Hinterhauptes.

Untersuchung mit Röntgenstrahlen und Computertomographie

Die Wissenschaftler untersuchten die Schädel lupenmikroskopisch sowie mit Röntgen- und Computertomographischen Methoden, um Informationen zur Größe und Position der Läsionen, zur Operationstechnik, zum Heilungszustand und zu möglichen Komplikationen zu gewinnen.

Die Operationen wurden mit zwei unterschiedlichen Techniken durchgeführt: Entweder wurde das Loch durch Schaben mit einem scharfen Gegenstand oder durch Ausschneiden eines rundlichen Knochenstückes erzeugt. Operiert wurden etwa gleich viel Männer und Frauen im Alter zwischen 10 und 60 Jahren. Die meisten Patienten überlebten die Operation für einen langen Zeitraum.

OP an einer extrem riskanten Stelle

Die immer gleiche Lokalisation der Löcher am Schädel ist eine unübliche Beobachtung für Trepanationen. Zudem gehört diese Stelle aufgrund anatomischer Besonderheiten zu den gefährlichsten für eine Schädeleröffnung. Die Tatsache, dass die meisten Patienten die Operation trotzdem überlebten, zeigt, dass es sich um spezialisierte Operateure gehandelt haben muss, die diese Lokalisation am Schädel trotz der Risiken wählten.

Dieses sowie die fehlenden Hinweise auf Frakturen oder Erkrankungen am Schädel deuten auf einen eher rituell begründeten Operationsgrund hin. Die Region in Südrussland scheint neben anderen europäischen Regionen ein weiteres Zentrum für Trepanationen zu sein. (eb)

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