Wintersport

Sanitäter helfen direkt auf der Piste

Der Frühlingsstart bedeutet für viele das Finale der Skisaison. Doch wo Wintersport getrieben wird, passieren auch Unfälle. Schuld ist oft zu hohes Tempo. Die Folge: schwere Verletzungen.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Die Helfer der „Ski Patrol“ (von links): Tom, Brad, Robert und Adel.

Die Helfer der „Ski Patrol“ (von links): Tom, Brad, Robert und Adel.

© Jana Kötter

DULUTH. Die Sonne scheint, die Piste ist frisch beschneit. Perfekte Konditionen für ein perfektes Ski-Wochenende – an dem die Rettungstruppe der "Ski Patrol" in Duluth im US-Bundesstaat Minnesota allerhand zu tun hat. Denn das Skigebiet Spirit Mountain ist ein beliebtes Ziel:, 500.000 Besucher zählt die Piste laut Manager Jody Ream jedes Jahr. Fast zwei Quadratkilometer Skipisten, 22 Abfahrten, dazu Aktivitäten wie Schnee-Mountainbiking oder "Tubing", bei dem Kinder und Erwachsene auf großen Luftreifen die Piste heruntersausen.

Gerade an den Wochenenden, wenn die Pisten voll sind, bleiben auch Unfälle da nicht aus: Bis zu 14 mal pro Wochenende musste die Pistenrettung in dieser Saison ausrücken, erzählt Brad Chrastensen. Der 39-Jährige leitet die aktuelle Schicht der Rettungsstation auf dem Berg.

Ärzte in Weiterbildung sind im Dienst

120 Pistenretter sind insgesamt für Spirit Mountain und das benachbarte Gebiet Chester Bowl im Einsatz, erklärt Ream der "Ärzte Zeitung". "Alle arbeiten ehrenamtlich und gehören zur Nationalen Pistenrettung."

In der Station von Spirit Mountain sind immer mindestens vier von ihnen im Einsatz. Einige sind Ärzte, die sich neben Praxis- oder Klinikalltag in der Bergrettung engagieren. Andere sind noch in Weiterbildung: "Nach dem ersten Jahr Praxiserfahrung dürfen wir auch hier tätig werden", sagt Adel Humiller (25), selbst Ärztin in Weiterbildung. Sie will später hauptberuflich am Berg tätig sein.

In dem kleinen Raum, in dem Adel mit ihren Kollegen die Stellung hält, ist die Ausrüstung sauber vorbereitet. Vor der Tür steht eine Trage bereit. In einem Notfallrucksack befindet sich alles, was die Sanitäter dann auf der Piste brauchen: Verbandsmaterial, Schienen, Sauerstoff. "Arzneien dürfen wir jedoch keine verabreichen", so Chrastensen. Auch Ärzte seien, sobald sie für die "Ski Patrol" im Dienst sind, auf Sauerstoff begrenzt und müssten für Schmerzmittel und Co. auf den eintreffenden Notarzt warten.

Schulterverletzung ist am häufigsten

Sanitäter Tom Overend (26) prüft den Inhalt des Notfall-Rucksacks. Sauerstoff dürfen er und seine Kollegen verabreichen, Arzneien nicht.

Sanitäter Tom Overend (26) prüft den Inhalt des Notfall-Rucksacks. Sauerstoff dürfen er und seine Kollegen verabreichen, Arzneien nicht.

© Jana Kötter

Werden die Sanitäter nach einem Unfall auf die Piste gerufen, dann gleichen die Verletzungen jenen anderer Skigebiete: Knochenbrüche, ausgekugelte Gelenke, Kopfverletzungen. Die häufigsten Verletzungen in dieser Saison seien in Duluth die Schulterluxation und Fraktur im Schulter- oder Schlüsselbeinbereich, erklärt Robert Olah (25), der wie Kollegin Adel noch in Weiterbildung ist. Oft könnten in diesem Fall die Sanitäter vor Ort helfen, ein Check im Krankenhaus sei jedoch nötig. "Wir entscheiden vor Ort, ob wir die Versorgung übernehmen können oder ob wir einen Notarzt hinzurufen müssen", erklärt Olah.

Dass neben Kopf und Hals auch der Brustkorbbereich immer öfter bei Verletzungen betroffen ist, beobachtet auch der Deutsche Skiverband (DSV). Sicherheitsexperte Andreas König sagt trotz zunehmender Schwere der Verletzungen: "Tödliche Unfälle auf der Piste sind äußerst selten."

Laut DSV verletzten sich in der Saison 2015/2016 rund 42.000 Wintersportler so, dass sie ärztliche Hilfe brauchten. Dabei stieg die Zahl derer, die im Krankenhaus landeten, in Deutschland um rund 600 auf 7300 im Vergleich zur Vorjahressaison.

Die Verletzungen sähen manchmal aus wie nach einem Motorradunfall, es gebe Schädel-Hirn-Traumen, Wirbelbrüche und innere Verletzungen, berichtet der Arzt und Bergführer Ulrich Steiner, der als Flugrettungsnotarzt in österreichischen Skigebieten Dienst tut. "Wenn man die letzten Winter anschaut, in denen man viel auf Kunstschnee unterwegs war, sieht man, dass die Unfälle oft sehr schwer sind."

Jugendliche überschätzen sich oft

Als Grund für die schweren Unfälle geben die Helfer ganz gleich der geografischen Verortung zwei Gründe an: zu hohes Tempo und Unerfahrenheit. Für Steiner ist es vor allem das Tempo in Verbindung mit vollen Pisten: "Mit den taillierten Skiern ist ein schlechter Skifahrer viel schneller mit einem falschen Sicherheitsgefühl unterwegs", so der Österreicher. "Man sieht schon oft, dass jemand mit schlechtem Können über seine Verhältnisse hinaus fährt."

Tatsächlich rücken auch die Helfer der "Ski Patrol" in Duluth am häufigsten wegen verletzten Jugendlichen aus: "13 bis 14 Jahre alte Jungen verletzen sich am häufigsten", so Olah. "Sie wollen schnell sein, können die eigenen Kräfte aber noch nicht ganz einschätzen." Zum Glück, sagt er mit einem Blick auf die frisch beschneite Piste, machten sie hier nur einen Bruchteil der Wintersportler aus.

Mehr Infos zum Skigebiet Spirit Mountain: www.spiritmt.com

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