Am Todestag des Angehörigen leuchtet im Internet eine Kerze auf

Von Christoph Dreyer Veröffentlicht:

Das Angebot klingt verlockend. "Wir bieten Ihnen eine sichere, aber ungewöhnliche Perspektive, egal welcher Tätigkeit Sie bisher nachgegangen sind", verspricht ein potentieller Arbeitgeber auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit.

Die Offerte wirbt mit attraktiven Konditionen: Arbeiten von zu Hause, sicheres Einkommen und selbstständiges Arbeiten werden ebenso genannt wie Zukunftssicherheit. Das Angebot bewirbt ein bislang eher unbekanntes Berufsbild -  den virtuellen Bestatter.

Aufgegeben hat die Stellenanzeige Bernd Schröder, ein ehemaliger Wirtschaftsprüfer und Steuerberater aus Melle bei Osnabrück. Der 57jährige stört sich seit langem daran, daß die Gräber auf realen Friedhöfen meist nach 20 bis 30 Jahren eingeebnet werden und die Hinterbliebenen damit eines Ortes für ihr Gedenken beraubt sind.

Mit seiner Homepage www.friedparks.de will er Trauernden deshalb einen auf längere Zeit angelegten virtuellen Ort der Erinnerung an ihre Toten bieten. Über die Arbeitsagentur sucht er nun freie Mitarbeiter, um dem Service bundesweit zum Durchbruch zu verhelfen.

"Zahlende Kunden habe ich noch nicht"

Bisher sind auf Schröders Internetseite allerdings vor allem historische Größen verzeichnet, etwa der im Jahr 530 gestorbene Vandalen-König Hilderich I. oder der mittelalterliche Maler Konrad von Soest (1370-1425). Auch an einige Ende der 90er Jahre Verstorbene wird erinnert, jüngere Einträge gibt es dagegen kaum. "Zahlende Kunden in dem Sinne habe ich noch nicht", räumt Schröder ein.

Auch auf anderen Gedenk-Homepages sind bislang nur wenige Einträge zu lesen. Sieben "Vermächtnisse" sind etwa auf www.ewigesleben.de freigeschaltet; im Gegensatz zu anderen Seiten sind hier jene die Auftraggeber, an die später erinnert werden soll. Von einem Nachfrageboom hat der Betreiber, der Bochumer Designer Christian Kluth, noch nichts bemerkt. "Es plätschert so vor sich hin", sagt er.

Noch Generationen später könnten die hinterlegten Botschaften und Erinnerungen abrufbar sein, behauptet der Text auf Kluths Startseite, "in zehn, hundert oder tausend Jahren - solange es Menschen gibt". Als potentielle Kunden sieht der Designer unter anderem die wachsende Zahl der Singles: "Wenn Sie keine Angehörigen haben, müssen Sie im Todesfall ja selbst etwas veröffentlichen."

Gerade vor der Gefahr einer "anonymen Trauer-Abarbeitung" warnt dagegen der Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, Rolf Lichtner. Dennoch betreibt inzwischen auch sein Verband mit www.memoriam.de eine eigene Gedenkseite. Für Lichtner sind solche Angebote aber nur eine Ergänzung zu anderen Formen des Gedenkens.

Der Bestatter warnt ausdrücklich vor überzogenen Erwartungen wie der eines quasi unendlichen Gedenkens im Internet. Vergleiche mit den Ruhezeiten auf realen Friedhöfen seien nicht angebracht: Auf www.memoriam.de ist das Standard-Angebot mit Absicht zunächst auf zwei Jahre befristet. "Nach diesem Zeitraum ist in der Regel auch die Trauerbewältigung abgeschlossen", sagt Lichtner.

Und auch Johann Weber vom Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands ist skeptisch gegenüber Angeboten wie dem, auf einer Homepage über Jahrzehnte zu jedem Todestag eine Kerze aufleuchten zu lassen. Damit werde versucht, traditionelle Bestattungsformen zu ersetzen.

In Grenzen könne das Internet manchen Trauernden zwar helfen, etwa indem es die Kontaktsuche zu anderen Menschen in ähnlichen Situationen erleichtere. Doch Weber ist sicher: "Die Vielzahl der persönlichen Empfindungen wird über das Internet nicht transportiert."

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