Doping-Kommission

Am Ende bleibt ein Scherbengericht

Die Doping-Vergangenheit der Freiburger Uni-Sportmedizin sollte wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Nach dem Rücktritt der Kommissionsmitglieder will die Universität nun eine neue Forschungsstelle beauftragen.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:

Wie es nach dem Rücktritt der Freiburger Doping-Kommission mit der Aufklärung der Dopingvorwürfe rund um die Freiburger Sportmedizin weitergehen soll, ist derzeit offen. Beide Seiten - die Mitglieder der "Unabhängigen Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin" und die Leitung der Universität Freiburg kündigten an, das Thema weiter zu verfolgen.

"Alle Kommissionsmitglieder fühlen sich der Aufklärung von Dopingvorgängen und wissenschaftlichem Fehlverhalten in der Sportmedizin auch weiterhin verpflichtet.

Im Rahmen ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Tätigkeit werden sie weiter dazu beitragen, dass die Dopingaufklärung in Deutschland und darüber hinaus fortgeführt wird", heißt es in einer Stellungnahme der fünf Kommissionsmitglieder, die am Dienstag gemeinsam ihre Arbeit niedergelegt hatten: unter ihnen die in Deutschland renommierten Dopingforscher Professor Fritz Sörgel und Professor Perikles Simon. Nur die Kommissionsvorsitzende Professor Letizia Paoli hatte ihr Amt nicht niedergelegt - wohl aus formal juristischen Gründen, wie es hieß.

Gestörtes Vertrauensverhältnis

Während sich die Kommissionsmitglieder ausdrücklich bei Paoli für "das Vertrauen und die hervorragende gemeinsame Arbeit" bedankten, mit der zahlreiche maßgebliche Erkenntnisse zum Doping in der Sportmedizin hätten gewonnen werden können, ging der Präsident der Universität Freiburg Paoli massiv an und drohte ihr mit juristischen Konsequenzen.

 "Die Universität muss sich angesichts der vielfältigen Vertragsverstöße der Kommissionsvorsitzenden alle rechtlichen Optionen offenhalten. Inwieweit die Universität Forderungen erhebt, wird maßgeblich davon abhängen, in welchem Maße die Kommissionsvorsitzende ihren nachvertraglichen Treuepflichten gerecht wird, die bisherigen Kommissionsergebnisse zu sichern und die Publikation oder wissenschaftlich fundierte Auswertung seit langem vorliegender Einzelgutachten zu ermöglichen", heißt es in einer Erklärung des Freiburger Unipräsidenten Professor Hans-Jochen Schiewer.

 Paoli habe die Aufgabe gehabt, ein auch für die Öffentlichkeit zusammenfassendes und schlüssiges Gesamtbild der Vorgänge rund um die Freiburger Sportmedizin zu zeichnen. Derzeit sei unklar, ob dieser Abschlussbericht, deren Abgabetermin mehrfach auf Wunsch der Kommission verschoben worden sei, überhaupt noch vorgelegt werde.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht offensichtlich das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen der Kommission und der Universitätsleitung. Die Kommissionsmitglieder fürchten, dass die Universitätsleitung Teile der gewonnenen Erkenntnisse zurückhalten oder gar den gesamten Abschlussbericht möglicherweise gar nicht veröffentlichen könnte.

Im Laufe der Jahre waren immer wieder Dopingvorwürfe gegen Freiburger Sportmediziner laut geworden. Zuletzt gingen die Erkenntnisse über die Sportmedizin hinaus, bis hin zu Plagiatsvorwürfen bei wissenschaftlichen Arbeiten an der Freiburger Universität. Das dürfte nicht jedem, der um den guten Ruf der Freiburger Uni besorgt ist, gefallen haben.

Nur datenschutzrechtliche Gründe?

Uni-Präsident Schiewer weist solche Vorwürfe strikt von sich und beruft sich auf datenschutzrechtliche Gründe und den Schutz von Persönlichkeitsrechten. Die stets zugesicherte inhaltliche Unabhängigkeit der Kommissionsmitglieder könne diese nicht von rechtlichen Rahmenbedingungen entbinden, so Schiewer. Das sei im Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit. "

Ein zentrales Element der rechtsstaatlichen Absicherung ist es, den zusammenfassenden Abschlussbericht und die vorgelegten Einzelgutachten vor deren Veröffentlichung auf ihre datenschutz-, urheber- und persönlichkeitsrechtliche Unbedenklichkeit zu überprüfen", so der Uni-Präsident.

Dazu sei zwischen der Kommission, dem baden-württembergischen Wissenschaftsministerium und der Universität im vergangenen Jahr ein mehrstufiges Verfahren abgestimmt worden, dessen Ziel es sei, "den Rechtsrahmen so auszulegen, dass so viele Informationen und Fakten wie möglich öffentlich gemacht werden können". Gerüchte, die Universität plane, Gutachten inhaltlich zu verändern, weise diese entschieden zurück.

Licht in das Freiburger Doping-Dunkel zu bringen war über die Jahre allerdings oft mit Hindernissen verbunden und könnte deshalb das Misstrauen der Kommissionsmitglieder verstärken. So hortete zum Beispiel eine Unimitarbeiterin wichtige Unterlagen bei sich zu Hause. Der umstrittene Sportmediziner Armin Klümper betreute laut Süddeutscher Zeitung auch eine ganze Reihe einflussreicher Personen im Breisgau "vom Minister bis zum Erzbischof".

Die Universität Freiburg hat nun angekündigt, die Aufklärungsarbeit durch die Forschungsstelle zum Thema Doping und Sportmedizin fortführen zu lassen. Sie werde in diesem Monat als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität geschaffen und von einem externen wissenschaftlichen Beirat unterstützt.

Die Evaluierungskommission war 2007 gegründet worden. Sie untersuchte die Vergangenheit der Freiburger Sportmedizin um die umstrittenen Professoren Joseph Keul und Armin Klümper. Laut Paoli war "Freiburg zweifellos das westdeutsche Doping-Zentrum". Freiburger Sportärzte sollen unter anderem die Radprofis des früheren Teams Telekom/T-Mobile über Jahre systematisch gedopt haben.

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