Ärztetag 1983: Fundamentalstreit um die Allgemeinmedizin

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Deutschlands Ärztefunktionäre sind von Furcht geplagt: Zu viele junge Kollegen strömen in die Versorgung: die Bedarfsplanung soll umgestellt werden, der Einstieg in den Beruf erschwert werden. Der erste Ärztetag für die noch junge Redaktion der "Ärzte Zeitung" war einer der schwierigsten.

Kassel, im Mai 1983: Es ist der erste Ärztetag, den die "Ärzte Zeitung" als Tageszeitung begleitet.

Weil die "Ärzte Zeitung" in Kassel gedruckt wird, erfahren die Delegierten noch am Abend des gleichen Tages, was ihre Kollegen in der ganzen Bundesrepublik am Folgetag über die Beratungen des Ärztetages lesen werden.

Dominierendes Thema des Ärztetages und der vorangegangenen KBV-Vertreterversammlung waren die Zukunft des ärztlichen Nachwuchses und die Qualifikation künftiger Ärzte für die hausärztliche Versorgung.

1983 markierte den Wendepunkt für die Bedarfsplanungssystematik, die bis dahin auf das Kriterium der Unterversorgung abstellte.

Nun sollte, so die Beschlusslage der KBV, auf das Kriterium der Überversorgung abgestellt werden, um zu erreichen, dass sich Ärzte regional gleichmäßiger verteilen.

Es dauerte zehn Jahre, bis Gesetzgeber mit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1993 reagierte.

Pflichtweiterbildung in Allgemeinmedizin erhitzt Gemüter

Mit außerordentlicher Heftigkeit führte der Ärztetag eine Grundsatzdebatte über die Einführung einer vierjährigen Pflichtweiterbildung in der Allgemeinmedizin. Die Protagonisten der Pflichtweiterbildung - Allgemeinärzte und eine Gruppe junger alternativer Ärzte - waren in der Minderheit.

Die Mehrheit - Vertreter des mächtigen Marburger Bundes und der Fachärzte - pochten auf die Vollwertigkeit der Approbation.

Das war blanke Interessenpolitik: Die Klinikärzte wollten auch bei nicht abgeschlossener Weiterbildung eine Niederlassungsmöglichkeit als Praktischer Arzt haben, ein Recht, das auch Fachärzte aus wirtschaftlichen Gründen für sich beanspruchten.

"Arzt im Praktikum" wird geboren

Der Kompromiss, den der Ärztetag nach komplizierten Beratungen und vielen Hinterzimmer-Verhandlungen fand, sollte sich sehr rasch gegen die jungen Ärzte kehren: die Wiedereinführung einer zweijährigen Medizinalassistentenzeit in Kombination mit einer nach einer EU-Richtlinie vorgeschriebenen zweijährigen Pflichtweiterbildung.

Nur ein Jahr später, im Jahr 1984, wurde mit einer Novelle der Approbationsordnung der Arzt im Praktikum geboren - eine zweijährige Phase nach einer vorläufigen Approbation, mit der der junge Mediziner kein vollwertiger Arzt war.

Die Gehälter der jungen Ärzte wurden halbiert. Der Ärztetag hatte die Steilvorlage geliefert, der Marburger Bund unter seinem damaligen Vorsitzenden Jörg Dietrich Hoppe wirksam assistiert.

Die Pflichtweiterbildung in der Allgemeinmedizin kam erst zehn Jahre später mit dem Gesundheitsstrukturgesetz. Doch das war eine Folge der Wiedervereinigung und der in der DDR geltenden obligatorischen Allgemeinarzt Weiterbildung.

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