Bunte Schaufenster gegen das Werbeverbot

Wie darf ein Arzt werben? Was heute fast selbstverständlich ist, war in den 80-er Jahren teilweise noch unvorstellbar. Professor Alexander Ehlers gehörte in München zu den Pionieren, die ausloteten, was geht - und was nicht.

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Praxis-Schaufenster zum Geburtstag, mit viel Liebe gemacht.

Praxis-Schaufenster zum Geburtstag, mit viel Liebe gemacht.

© privat

München, Glasscherbenviertel, 80er Jahre. Wie ist eigentlich das Werbeverbot für Ärzte entstanden? Der Arzt und Rechtsanwalt Professor Dr. med. Dr. iur. Alexander Ehlers aus München greift weit zurück in die Historie: "Im 19. Jahrhundert ging es um die Abgrenzung der Ärzte von den Quacksalbern."

Ärzte sollten ihre Heilkunst gerade nicht anpreisen, wie es vielleicht die Quacksalber taten, sondern sie sollten ganz im Vertrauensverhältnis mit ihren Patienten ihr heilendes Werk tun, ganz ohne marktschreierische Werbung.

Ehlers, gebürtiger Berliner und aus alter Arztfamilie stammend, war mit 27 Jahren vollapprobiert: "Das kann doch noch nicht alles gewesen sein", habe er sich damals gedacht.

So begann er 1980 mit dem Jura-Studium, das er sich als Arzt zunächst mit Vertretungen und ab 1982 in eigener Privatpraxis als Allgemeinmediziner in München selbst finanzierte.

1983 wurde er als Vertragsarzt zugelassen - und führte die Praxis bis 1999 weiter.

Das Schaufenster wurde mit viel Fantasie dekoriert

"Mitte der 80er Jahre galt das Werbeverbot noch rigoros", erinnert sich Ehlers. So war zum Beispiel das Praxisschild vollkommen reglementiert, bis auf jeden Zentimeter Höhe und Breite. Doch es seien erste Wünsche nach Lockerung spürbar gewesen.

Als junger Arzt "im Glasscherbenviertel" praktizierte Ehlers in einer Gegend mit vielen Ärzten. "Die Konkurrenz war groß." Seine Praxis baute der Jungarzt in einem früheren Milchladen aufgebaut. Daher hatten die Räume ein großes Schaufenster zur Straße hin.

"Ich galt als der Milchladendoktor von der Au", beschreibt er die Praxis an ungewöhnlichem Standort. Und was macht ein Arzt mit einem großen Schaufenster zur Straße hin? Er dekoriert das Fenster, um Patienten auf die Praxis aufmerksam zu machen.

Buntes zum Karneval, Tom und Jerry, ein Tennis-Motiv aus Anlass des ersten Wimbledon-Sieges von Boris Becker 1985, Menschen auf einer Erdkugel gegen Ausländerhass - "wir haben viel Fantasie für das Schaufenster entwickelt", so Ehlers.

Einmal sei jemand hereingekommen, weil er gedacht habe, es handele sich um einen Laden für Faschingsartikel. Als der merkte, dass er in eine Arztpraxis hineingeraten war, sei er gleich zur Behandlung geblieben. Kleine Anekdoten aus der Frühzeit der Arztwerbung.

Die Berufsaufsicht wurde über alles informiert

Allgemeinarzt Alexander Ehlers 1984 am Stand der Arztpraxis beim Straßenfest in München. Das Motto: "Zum gesunden Krokodil".

Allgemeinarzt Alexander Ehlers 1984 am Stand der Arztpraxis beim Straßenfest in München. Das Motto: "Zum gesunden Krokodil".

© privat

Den Kollegen in der Nähe waren die Aktivitäten des jungen Allgemeinmediziners schnell ein Dorn im Auge.

Sie beschwerten sich bei der Berufsaufsicht über die Schaufenster, erhielten dort aber zur Antwort, es handele sich nicht um Werbung, sondern um Dekoration. Dr. Erwin Hirschmann, der später NAV-Vorsitzender wurde, sei damals zuständig gewesen.

Die Kollegen in München hätten ihn auf jeden Fall genau im Blick gehabt, erinnert sich Ehlers. Als er sich später in der Berufspolitik engagierte und schließlich auch in der Berufsaufsicht tätig war, fand er Fotos von jeder neuen Dekoration "fein säuberlich abgelegt in den Unterlagen".

Das Schaufenster war nicht der einzige Ort für die Marketingaktivitäten der Praxis: Mit frischen Ideen ging Ehlers nach draußen. Schon 1984 gab es einen Stand der Praxis beim Straßenfest - Motto: "Zum gesunden Krokodil".

Damals habe es in der Rechtsprechung erste Tendenzen gegeben zu differenzieren, wann das Werbeverbot für Ärzte greift, nämlich "immer dann, wenn höherrangige Rechtsgüter gefährdet sind", so Ehlers.

Seitdem sind viele Tabus gefallen, zum Beispiel, welche Informationen aufs Praxisschild dürfen oder die Erstellung eines Praxislogos oder auch Anzeigenwerbung in Zeitungen ohne Anlass einer Neueröffnung oder eines Urlaubs und vieles mehr.

Selbst die Darstellung von Ärzten in Berufskleidung (Arztkitteln) ist kurz davor, aus dem Heilmittelwerbegesetz gestrichen zu werden. Das Recht des Patienten darauf, sachlich informiert zu werden, wird von Richtern höher eingeschätzt als das Werbeverbot.

Geblieben ist letztlich das Verbot der marktschreierischen Werbung, die anpreisend, irreführend oder vergleichend ist und damit den Patienten in einen inneren Zugzwang bringt, ein Angebot für eine Heilbehandlung anzunehmen. (ger)

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