Wanzen in der Arztpraxis auf der Agenda

Sechs Jahre nach der heftig geführten Diskussion über den Großen Lauschangriff kehrt das Thema wieder zurück. Zwar wird ein erster Entwurf aus dem Bundesjustizministerium zurückgezogen, aber die Telefonüberwachung von Arztpraxen bleibt nicht länger tabu.

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Gespräche zwischen Ärzten und Patienten sollten grundsätzlich von niemandem belauscht werden können - dafür gibt es aber keine Garantie mehr.

Gespräche zwischen Ärzten und Patienten sollten grundsätzlich von niemandem belauscht werden können - dafür gibt es aber keine Garantie mehr.

© dpa

Berlin, im Juli 2004. Viele Ärzte trauen ihren Augen und Ohren nicht, als im Sommer 2004 das Thema "Großer Lauschangriff" für sie wieder akut wird.

Es ist ein Wiedergänger einer Diskussion aus dem Jahr 1998, als Bundestag und Bundesrat beschlossen hatten, den Artikel 13 des Grundgesetzes so zu ändern, dass die "akustische Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung" ermöglicht wurde.

Das Bundesverfassungsgericht kam im Jahr 2004 zu der Auffassung, dass große Teile der Gesetzesänderung gegen die Menschenwürde verstießen und deshalb nicht verfassungskonform seien.

Damit war der Auftrag an den Gesetzgeber verbunden, die Vorgaben für den Lauschangriff zu überarbeiten.

Die Pläne, die daraufhin im Juli 2004 aus dem Bundesjustizministerium dringen, lösen in der Ärzteschaft erneut Großalarm aus. So titelte die "Ärzte Zeitung" am 8. Juli 2004: "Wanzen in der Praxis stehen schon wieder auf der Tagesordnung".

Mit einer Gesetzesnovelle will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) das Abhören sogenannter Berufsgeheimnisträger in Ausnahmefällen erlauben.

BÄK fürchtet Aufweichung des Verbots

Für Ärzte heißt das: Ihre Gespräche mit Patienten würden nicht mehr garantiert vertraulich sein. Der Präsident der Bundesärztekammer Professor Jörg-Dietrich Hoppe fürchtet eine "Aufweichung des Abhörverbots".

"Das Patient-Arzt-Verhältnis darf nicht preisgegeben werden", so Hoppe. Auch bei der KBV heißt es: "Das Sprechzimmer des Arztes muss tabu bleiben."

Zwar zieht Zypries, auch nach heftiger Kritik aus den eigenen Reihen, ihren Entwurf im September erst einmal zurück, aber damit ist das Thema nicht erledigt.

Im November 2007 nimmt das Telekommunikationsüberwachungsgesetz mit der Verabschiedung im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde. So gibt es seit Anfang 2008 in Deutschland zwei Klassen von Berufsgeheimnisträgern.

Für Abgeordnete, Seelsorger und Strafverteidiger gilt ein absoluter Schutz vor Ermittlungsmaßnahmen, also auch der Telefonüberwachung, bei der Verfolgung schwerer Straftaten. Für Ärzte und Journalisten gilt das nicht.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte diese zwei Arten der Berufsgeheimnisträgerschaft im Dezember 2011. Ärzte und Journalisten hätten zwar ein Zeugnisverweigerungsrecht, aber Gerichte dürften im Einzelfall entscheiden, ob ihre Telefone abgehört und die so erhobenen Informationen verwendet werden dürfen.

Der Appell des heutigen BÄK-Präsidenten Frank Ulrich Montgomery, Politiker sollten "den Lauschangriff auf uns Ärzte stoppen", verhallt ungehört. (chb)

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