Seehofer schmeißt hin

Nach zähem Ringen haben CDU und CSU einen Gesundheitskompromiss gefunden. Mit dem kann sich der erfahrene Gesundheits- und Sozialpolitiker Horst Seehofer gar nicht anfreunden - und tritt nach einem Maulkorberlass von Stoiber und Merkel als Fraktionsvize zurück.

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Zu teuer, zu kompliziert, zu wirklichkeitsfremd: Horst Seehofers Kritik am Gesundheitskompromiss.

Zu teuer, zu kompliziert, zu wirklichkeitsfremd: Horst Seehofers Kritik am Gesundheitskompromiss.

© dpa

Berlin, am 22. November 2004. Dass Horst Seehofer kein einfacher Charakter ist, haben im Laufe seines politischen Lebens vor allem viele seiner Unionsfreunde erfahren müssen.

Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der langjährige Bundesgesundheitsminister die Brocken in der Unionsfraktion hinschmeißt. Zweite Reihe, da gehört ein Seehofer nicht hin.

Soll er aber, auf Wunsch von CSU-Chef Edmund Stoiber und der damaligen Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion und CDU-Parteichefin Angela Merkel.

Die beiden Parteichefs verlangen, dass er sich in seiner Eigenschaft als Fraktionsvize nicht mehr zu gesundheits- und sozialpolitischen Themen äußern soll.

Denn Seehofer wollte den unter schweren Umständen geborenen Gesundheitskompromiss der Schwesternparteien nicht mittragen.

Den Ausschlag für seinen Rücktritt vom Posten des Fraktionsvizes habe gegeben, dass er nicht nur seine Aufgaben in der Gesundheitspolitik, sondern für den gesamten Themenbereich Sozialpolitik hätte abgeben müssen, sagt Seehofer.

Nur unter dieser Voraussetzung sei er aber eine Woche zuvor bereit gewesen, sein Amt weiter zu behalten.

Notfalls ins Kloster

Seehofer konnte sich mit dem nach einjährigem Streit zwischen CDU und CSU gefundenen Gesundheitskompromiss nicht anfreunden. Er war ihm zu kompliziert, zu unsozial und zu wirklichkeitsfremd berechnet.

Kern des Kompromisses war, einheitliche Prämien für die Krankenversicherung einzuführen, aber den Sozialausgleich zwischen Arm und Reich im System zu belassen.

Das sollte durch eine komplexe Konstruktion gelingen: Die Union schlug vor, kassenindividuell einheitliche Prämien (durchschnittlich 109 Euro im Monat) zu erheben.

Prämienobergrenze sollten sieben Prozent des Gesamteinkommens sein. Ehepartner sollten doppelt zahlen - bis zu sieben Prozent des Haushaltseinkommens.

Der Arbeitgeberanteil sollte auf 6,5 Prozent festgeschrieben und in ein Sondervermögen einfließen, aus dem der Rest der Pauschale (Sozialausgleich und Arbeitgeberanteil) finanziert werden sollte. Unterm Strich sollten die Kassen gleiche Prämien für alle Mitglieder erhalten.

Der CSU-Politiker stellt klar, dass er mit seiner Meinung auch künftig nicht hinterm Berg halten werde: "Wo sind wir denn eigentlich. Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, ob ich meine Meinung sage. Dann kann ich gleich ins Kloster gehen", sagt Seehofer kurz nach seinem Rückzug aus dem Fraktionsvorstand.

Dauerhaft geschadet hat der Konflikt ihm nicht. Von 2005 bis 2008 gehörte er der großen Koalition als Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister an.

Seit Oktober 2008 ist er bayerischer Ministerpräsident und Vorsitzender der CSU. Der Gesundheitskompromiss der Union ist dagegen - auch zur Freude vieler Parteifreunde - schon lange in der Schublade verschwunden. (chb/eb)

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