Wahlkampf 2009 - mehr Duett als Duell

Spannung im Bundestagswahlkampf? Fehlanzeige im Wahljahr 2009! Gestritten wurde in der Gesundheitspolitik über vermeintliche Skandale - und einen gestohlenen Dienstwagen der Ministerin im Spanien-Urlaub.

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Die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009 auf ihren Wahlplakaten: Frank-Walter Steinmeier (SPD), Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP).

Die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009 auf ihren Wahlplakaten: Frank-Walter Steinmeier (SPD), Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP).

© Imago

27. SEPTEMBER 2009: Langweilig, konturlos, ohne Inhalte: Viele mediale Beobachter ließen kein gutes Haar am Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009, der mit dem Urnengang am 27. September endete.

Wie sollten sich auch die größten Kontrahenten CDU und SPD anständig über politische Inhalte auseinandersetzen, wenn sie in den vergangenen vier Jahren in einer großen Koalition am gleichen Kabinettstisch saßen?

Die Quittung dafür bekam am Wahlabend vor allem die SPD: Mit 23 Prozent verlor sie rund 11 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2005, die FDP erreichte mit 14,6 Prozent das beste Wahlergebnis der Parteigeschichte.

Gemeinsam mit der CDU, die mit 33,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl erreichte, wollen beide Parteien nun in einer schwarz-gelbe "Wunschkoalition" das Land regieren.

Die Langeweile im Wahlkampf wurde am deutlichsten im TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): Es war kein Duell, sondern ein friedliches Duett zwischen zwei Politikern, die sich schätzen.

Etikett: "skandalöses Gesundheitswesen"

Auch beim Gesundheitsfonds, den die große Koalition gemeinsam geschmiedet hat und gegen den es in der Union Murren gibt, kann Steinmeier Merkel keinen Konflikt aufzwingen, sie steht hinter dem Fonds.

Die Herausforderungen in der Gesundheitspolitik für die kommenden Jahre spielen im Wahlkampf keine Rolle.

In der medialen Betrachtung werden einzelne gesundheitspolitische Themen herausgepickt und skandalträchtig der Öffentlichkeit präsentiert - Themen wie Behandlungsfehler und Zuweisungsprämien dominieren die Berichterstattung.

Auch an Personen machte das Etikett "skandalöses Gesundheitswesen" nicht halt und ist ausgerechnet mit der Ministerin verknüpft: Der Dienstwagen von Ulla Schmidt (SPD), der ihr im Juli für zwei Termine in ihren Spanien-Urlaub gefolgt ist, wird gestohlen, taucht wenige Tage später aber wieder auf -  das Sommertheater um die Nutzung von Dienstwagen ist perfekt.

Jetzt könnte der langjährigen Ministerin, die mehrere Gesundheitsreformen gegen teilweise erbitterten Widerstand durchgeboxt  und politisch überlebt hat, ein gestohlener Dienstwagen zum Verhängnis werden.

Sie versucht zu retten, was zu retten ist: "Eines wissen die Bürger: Dass ich die Bodenhaftung nicht verloren haben und dass ich nicht abgehoben bin", sagte Schmidt vor Journalisten.Im August stellte der Bundesrechnungshof fest, dass ihr Wagen ordnungsgemäß genutzt wurde.

Auch in ihrem Wahlkreis Aachen muss Schmidt hart kämpfen: Sie will ihn zum vierten Mal in Folge das Direktmandat gewinnen -  doch ihr CDU-Gegner ist in der Gesundheitspolitik kein Unbekannter: Rudolf Henke, Chef des Marburger Bundes, will ebenfalls den Kreis 088 gewinnen -  und kann am 27. September 12.180 Stimmen mehr auf sich vereinen. Schmidt zieht über die NRW-Landesliste in den Bundestag ein.

Popularität bei Ärzten ist Daniel Bahr fast unheimlich

Im Bundestag sitzen ab 2009 sechs Humanmediziner, drei Tierärzte und ein Zahnarzt. Der bekannteste Arzt ist MB-Chef Henke sowie die Ärztin Ursula von der Leyen (CDU).

Die Leser der "Ärzte Zeitung" konnten in einer Umfrage schon vor der Wahl ihren Favoriten für die Spitze des Bundesgesundheitsministeriums benennen: Das Votum fiel mit 54,4 Prozent eindeutig auf Daniel Bahr,  damals gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

Die hohe Zustimmung bei Ärzten ist ihm aber auch unheimlich. "Ich kann als Bundestagsabgeordneter der FDP im Gesundheitsausschuss niemals Lobbyist der Ärzteverbände sein", erklärt er im Wahlkampf.

Er wird zunächst Parlamentarischer Staatssekretär im BMG und am 12. Mai 2011 ein Minister. Als Nachfolger des Arztes Philipp Rösler, der überraschend im Herbst 2009 Chef des BMG wird. (bee)

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