Praxisgründer berichten

Vom Gesellen zum Lotsen

Als "typischen Landarzt" bezeichnet sich Allgemeinarzt Dr.Lothar Wildmoser. Seit 30 Jahren ist er als Hausarzt auf dem Land tätig. Schon vor 21 Jahren wagte er den Schritt von der Gemeinschafts- in die Einzelpraxis.

Von Christiane Kern Veröffentlicht:
Dr. Lothar Wildmoser (m.) und Dr. Theo Braun-Munzinger (re.) bei der Praxisübergabe.

Dr. Lothar Wildmoser (m.) und Dr. Theo Braun-Munzinger (re.) bei der Praxisübergabe.

© Dr. Lothar Wildmoser

SCHOPP. Dr. Lothar Wildmoser ist Landarzt aus Leidenschaft. Und das schon seit 1982. Damals hat er mit seinem inzwischen verstorbenen Kollegen Bernd Hettrich die Praxis von Dr. Theo Braun-Munzinger in Martinshöhe übernommen, einem kleinen Ort im Landkreis Kaiserslautern.

Zusammen mit Braun-Munzinger, der die große ländliche Praxis mehr als drei Jahrzehnte alleine betrieben hatte, gründeten die beiden Allgemeinmediziner eine sogenannte Übergangsgemeinschaftspraxis.

"Wir sind damals mit Euphorie angetreten", erinnert sich Wildmoser. Die Flamme sei auch heute noch nicht ganz erloschen.

Für die neue Praxis wurde eine ehemalige Landwirtschaftshalle umgebaut, mitten im Ort und mit vielen Parkplätzen. Die Planung der Praxis lag ganz in Händen von Wildmoser und Hettrich.

Von Anfang an dabei waren eine Physiotherapeutin sowie ein Masseur. Die gute Zusammenarbeit mit anderen Heilberufen ist auch heute noch für den Allgemeinarzt mit Zusatzbezeichnung Chirotherapie und Sportmedizin wichtig.

Die Praxis Dr. Lothar Wildmoser

Gründung und Geschichte: Am 2. Oktober 1982 übernahm Dr. Lothar Wildmoser zusammen mit Bernd Hettrich in Martinshöhe die Praxis von Dr. Theo Braun-Munzinger. Gemeinsam mit ihm betrieben sie bis zu dessen Ausscheiden eine Übergangsgemeinschaftspraxis.

Die Gemeinschaftspraxis, die heute noch existiert, hatte später fünf Ärzte. Wildmoser wurde dies dann zu viel. 1991 ließ sich er sich deshalb in seinem Heimatort Schopp mit einer Einzelpraxis nieder.

Das Team: die Praxis beschäftigt zwei Arzthelferinnen. Auch die Ehefrau arbeitet als Springer mit. Seit drei Jahren ist Wildmosers Sohn Daniel mit einer Praxis für Physiotherapie integriert.

Privates: Die Volksgesundheit liegt Wildmoser sehr am Herzen. Seit Jahren engagiert er sich unter anderem als Initiator von Volksläufen und Wanderungen. Derzeit arbeitet er an einem Buch mit autobiografischem Hintergrund.

Am 2. Oktober 1982 war es dann so weit. Die Praxis wurde mit einem "Tag der offenen Tür" eröffnet.

Befruchtende Zusammenarbeit

Braun-Munzinger, der auch Knappschaftsarzt war und als Geburtshelfer fast alle Kinder in der Region auf die Welt gebracht hat, arbeitete noch etwa zwei Jahre ganztags quasi als Angestellter mit Gewinnbeteiligung in der Übergangsgemeinschaftspraxis mit.

Auch heute noch erinnert sich Wildmoser gerne an die Unterstützung Braun-Munzingers, der seinen jungen Kollegen zu jedem Patienten die nötigen Informationen gegeben hat. "Die Anamnese mussten wir nie erheben", so Wildmoser.

Die Zusammenarbeit sei für beide Seiten befruchtend gewesen. "Wir Jungen haben viel von seinen reichhaltigen Erfahrungen partizipiert", betont Wildmoser.

Nicht ohne Stolz verweist der 61-Jährige darauf, dass die Ärzte in der Übergangsgemeinschaftspraxis auf der Sickingerhöhe schon damals (1983) eine EDV (Compudent) eingeführt haben.

Alle Arztschreibtische und die Rezeption seien mit Terminals ausgerüstet worden. Doch nicht nur die Technik spielte damals eine große Rolle, auch viele soziale Projekte wurden angestoßen.

Dazu gehören ein Sportlehrpfad, den es heute noch gibt, und die Gründung einer der ersten ländlichen Herzsportgruppen in Rheinland-Pfalz. Die Volksgesundheit lag Wildmoser von Anfang an am Herzen.

Interesse an Physiotherapie und Sportmedizin

"Gesundheitssport ist ein besonderes Anliegen von mir", betont er. Auch heute noch ist Wildmoser als Organisator von Volkslaufveranstaltungen, Wanderungen usw. aktiv.

Zu seinen weiteren Projekten in Martinshöhe gehörte auch die Einrichtung einer Diätküche. Dort wurden Diabetiker praktisch unterrichtet, über ihre Krankheit aufgeklärt und auch zu sportlichen Aktivitäten animiert.

Erwähnenswert ist außerdem die Installierung von Blutzuckermessstationen im Wald. Auch Laktatmessungen wurden vorgenommen. "Für damalige Verhältnisse waren diese Aktivitäten schon fortschrittlich", so der Arzt.

Auch ein Fortbildungstag pro Woche gehörte zum Praxisalltag in Martinshöhe. Da konnte sich jeder seinen speziellen Neigungen widmen. Wildmosers Interesse galt schon immer der Physiotherapie und der Sportmedizin.

Deshalb hat er bei Sportmedizinern hospitiert und bei ihnen auch Vertretungen übernommen. Der Ertrag der Praxis sei damals aber auch so gewesen, dass man sich solche Fortbildungsaktivitäten leisten konnte.

Heute überlege man sich das dreimal. Zur Arbeit in Martinshöhe gehörte aber ebenso die Betreuung eines Alten-, Pflege- und Übergangsheimes. Unter den Patienten waren laut Wildmoser auch psychisch Kranke und Menschen, die nicht weiter wussten, wie etwa ehemalige Auschwitz-Insassen.

Wildmoser war in den drei Monaten, die er als Vorbereitungszeit wegen des Praxiseinstiegs absolvieren musste, viel mit seinem Vorgänger als dessen Assistent unterwegs.

Mit einem Schmunzeln erinnert er sich, dass er und sein Kollege Hettrich damals so etwas wie die Lehrlinge von Braun-Munzinger waren. Zu ihren Aufgaben gehörte auch das Tragen des Arztkoffers.

Die erste Regressdrohung seit 30 Jahren

"Wenn wir in das Heim kamen, waren wir halt die jungen Ärzte, deren Namen die Patienten nicht kannten", so Wildmoser. So kam es denn auch, dass ein Brief aus dem Heim in die Praxis gelangte, der an "Dr. Braun-Munzinger und seine beiden Gesellen" adressiert war.

In der Praxis in Martinshöhe arbeiteten später fünf Ärzte. Dies wurde Wildmoser dann zu viel. 1991 wagte er deshalb einen Neuanfang.

Seit 21 Jahren betreibt der "typische Landarzt", wie er sich selbst bezeichnet, nun eine ländliche Einzelpraxis in seinem Heimatort Schopp, einem 1600-Einwohner-Dorf, zwölf Kilometer südlich von Kaiserslautern.

Seit drei Jahren arbeitet in der Praxis auch Wildmosers Sohn Daniel als Physiotherapeut. "Für ihn war das ein günstiger Start, weil wir gemeinsam Räume, Personal und im geringen Umfang auch Geräte nutzen", so Wildmoser.

Die Zusammenarbeit werde von den Patienten sehr gut aufgenommen. Wenn Not am Mann ist, hilft auch Wildmosers Frau in der Praxis mit. Stolz ist er darauf, dass er mehr als 20 Jahre mit den gleichen Arzthelferinnen zusammenarbeiten konnte. "Ein ausgesprochener Glücksfall."

Ärgerlich ist Wildmoser darüber, dass er kürzlich eine Regressandrohung wegen seiner Hausbesuche erhalten hat. "Die erste übrigens", wie er unterstrich. "Wenn man rund 30 Jahre auf die gleiche Weise gearbeitet hat, trifft es einen ganz schön hart, dass man plötzlich so unwirtschaftlich sein soll."

Wildmoser macht neben Hausbesuchen in Schopp auch viele Visiten in kleineren Nachbarorten. Außerdem habe er in der Zeit, die die Regresse betreffen, viele schwer kranke Patienten gehabt, von denen mittlerweile viele verstorben sind.

Er habe nun die Hausbesuche drastisch zurückfahren müssen und fühle sich ein bisschen als Opfer der neuen Prüfungsmodalitäten.

Buchveröffentlichung geplant

Nicht ganz einfach wird sich wohl auch für Wildmoser die Praxisnachfolge gestalten. "Wir haben ja jetzt das Dilemma, dass man in der Allgemeinmedizin nur sehr schwierig einen Nachfolger findet." Da spreche ich wohl auch für alle umliegenden Kollegen", erklärt der Landarzt.

Deshalb wolle er weiter praktizieren, solange es noch geht. "Wir guten alten Hausärzte sind eine aussterbende Spezies. Uns wird es in Zukunft so wohl nicht mehr geben", meint Wildmoser.

Für die Zeit danach hat Wildmoser auch schon Pläne. Derzeit arbeitet er an einem Buch mit autobiografischem Hintergrund. Es habe die sozialen Kompetenzen eines Hausarztes zum Thema - als lebenslanger Begleiter, das Eingebundensein im Ort, aber auch den Überlebenskampf der Einzelpraxis.

Eingearbeitet seien viele Patientenbeispiele - ohne Namensnennung. Es seien neutrale Schilderungen wie das Schicksal eines Langzeitarbeitslosen, der zum Opfer von sozialen Verstrickungen und Repressalien geworden sei.

Wenn man solche Fälle lange Zeit beobachtet und retrospektiv bewertet, dann sieht man oft, wie Energien verschleudert werden. Wildmoser will sein Buch in vier bis fünf Jahren veröffentlichen, dem angedachten Zeitpunkt der Praxisaufgabe.

Dann würde er gerne eine Halbtags- oder Teilzeittätigkeit annehmen und hofft, einen Teil seines reichen Erfahrungsschatzes weitergeben zu können. "In 30 Jahren sammelt sich so einiges an", meint Wildmoser.

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