Bisher gibt es nur wenige leicht verstrahlte Menschen in Japan

Prophylaxe vor gesundheitlichen Schäden, aber keine Panik: Kommt es in den japanischen Kernkraftwerken nicht zu weiteren Unfällen, ist die Bevölkerung relativ glimpflich davongekommen, so ein Strahlungsexperte.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Eine Mutter mit Kind wird in Japan auf radioaktive Kontamination geprüft.

Eine Mutter mit Kind wird in Japan auf radioaktive Kontamination geprüft.

© dpa

"Die Situation in Japan ist schlimm aber bezüglich der ausgetretenen radioaktiven Strahlung noch kontrollierbar. Auf keinen Fall sind Menschen in Deutschland durch die aktuellen Belastungen aus japanischen Kernkraftwerken gefährdet", sagt Professor Ekkehard Dikomey aus Hamburg. Der Experte ist in der Sektion für Strahlenbiologie und experimentelle Radiologie des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) tätig.

Die Strahlenbelastung der vergangenen Tage aus den beiden Kernkraftwerken in Fukushima entspreche in etwa der Dosis aus einem Jahr Normalbetrieb (etwa ein Millisievert), so der Strahlenbiologe. Nach Berichten aus Japan seien dort bisher acht bis zehn Menschen schwach radioaktiv belastet worden, bei mehreren tausend Untersuchten.

Die Region um die Kernkraftwerke wurde evakuiert, und die Bevölkerung dort wird mit Jodtabletten behandelt.

Dabei ist die frühe Prävention entscheidend. "In Tschernobyl hat man vier Tage bis zur Jodprophylaxe gewartet." Die Reaktordruckbehälter der Problem-Kraftwerke sind bisher unversehrt geblieben, die Rohrverbindungen zu den Turbinen aber geborsten.

Von dort gelangte radioaktiv kontaminierter Dampf ins Freie. Die dabei verletzten Arbeiter im Kernkraftwerk seien wahrscheinlich von umherfliegenden Maschinenteilen getroffen worden. Es dauert aber noch Tage, bis die Brennstäbe abgekühlt seien und die Gefahr einer Kernschmelze endgültig gebannt sei.

Der Strahlenbiologe weist auf die stündlichen Berichte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA über die Situation in den Atommeilern hin. Die IAEA stuft die Unfälle bisher nach der 7-stufigen internationalen Skala INES (international nuclear and radiological event scale) als Kategorie 4 ein. Die Zerstörungen seien damit um Welten von der Stufe 7 entfernt, mit der die Tschernobyl-Katastrophe bewertet wurde, so Dikomey.

Akut strahlenkranke Menschen sind nach Ansicht des Experten vorläufig nicht zu erwarten, hierfür hätte es Kontaminationen von 1 Sievert geben müssen. Krebserkrankungen oder auch Fehlbildungen bei Ungeborenen seien in Japan nicht auszuschließen.

Allgemein sei das Ausmaß nach nuklearen Katastrophen aber geringer als angenommen: So habe man n Hiroshima und Nagasaki keine statistisch erhöhte Rate von Fehlbildungen bei Neugeborenen belegen können.

Nach Tschernobyl gab es in der Region sehr viel mehr Schilddrüsenkrebs, aber bei anderen Krebsarten habe die Zunahme kein statistisches Signifikanzniveau erreicht, so Dikomey. Keine Gefahr durch die aktuellen nuklearen Belastungen sieht der Experte in Deutschland.

Möglicherweise würden sich in einigen Monaten bei uns Spuren der freigesetzten Isotope in der Atmosphäre nachweisen lassen. Das ist aber kein Grund, jetzt Jodtabletten zu nehmen.

Zum Special "Katastrophe in Japan"

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