HINTERGRUND

Eine Amöbenruhr läßt sich mit neuem Test sicher nachweisen

Veröffentlicht:

Von Inga Niermann

Sechs Jahre lang litt der Kanalarbeiter an einer immer wiederkehrenden Durchfallerkrankung. Fünf Jahre wurde er behandelt, ohne daß die Ärzte die Ursache seines Leidens herausfanden. Schließlich wurde der Mann arbeitsunfähig und mußte im Alter von 35 Jahren in Rente gehen.

Eine erneute Stuhluntersuchung im Labor brachte schließlich doch noch die Ursache des chronischen Durchfalls ans Licht: Er hatte sich wahrscheinlich bei Kanalarbeiten mit Ent-amoeba histolytica infiziert. Nach einer medikamentösen Therapie war er nach nur wenigen Wochen geheilt.

In Deutschland gibt es über 1000 Infekte mit E. histolytika

In Deutschland sind vermutlich mehr als 1000 Menschen mit dem Darmparasiten infiziert. "Die meisten Infekte bleiben aber unentdeckt", sagte Professor Egbert Tannich vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. "Da Amöbiasis bei uns eine seltene Erkrankung ist, haben Ärzte und Labors in der Regel wenig Erfahrung mit dem Erreger." Bei immer wiederkehrenden Darmbeschwerden und Durchfällen sollten Ärzte außer an eine Colitis ulcerosa oder einen M. Crohn auch an eine Amöbiasis denken, so Tannich.

Zur Erfassung der Amöbiasis-Infekte und zur Diagnose-Unterstützung hat Tannich deshalb eine Melde- und Referenzstelle für Amöbiasis am Bernhard-Nocht-Institut eingerichtet. Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser können bei Verdachtsfällen Stuhlproben mittels hochsensibler Testverfahren untersuchen lassen.

Der Amöbiasis-Erreger ist global verbreitet und findet sich vor allem in tropischen und subtropischen Regionen. Weltweit sind eine halbe Milliarde Menschen infiziert, jährlich erkranken 40 Millionen Menschen, 100 000 Menschen sterben an Komplikationen der Erkrankung. E. histolytica verbreitet sich vor allem unter schlechten hygienischen Bedingungen. In Europa ist der Erreger vor allem bei Reiserückkehrern bekannt. "Es treten aber auch immer wieder autochtone Fälle auf", sagte Tannich.

Erreger wird noch Jahre nach der Infektion ausgeschieden

90 Prozent der Betroffenen merken allerdings nichts von der Infektion, und können den Erreger mitunter jahrelang in sich tragen. Die Erreger bilden im Dickdarm widerstandsfähige Dauerstadien, sogenannte Zysten, die ausgeschieden werden. Die Menge der ausgeschiedenen Zysten ist variabel, kann aber in Einzelfällen einige 100 Millionen pro Tag betragen.

Dadurch besteht die Gefahr, daß der Erreger sogar nach Jahren noch durch enge Familienkontakte übertragen wird. So steckte in den Niederlanden eine Mutter ihre beiden Kleinkinder mit dem Darmparasiten an, mit dem sie sich selbst auf einer Indienreise fünf Jahre zuvor infiziert hatte.

Zehn Prozent der Infektionen mit E. histolytica führen zur Invasion des Erregers ins Gewebe. Betroffen ist vor allem der Dickdarm mit klinischen Zeichen einer Kolitis. Typisches Erscheinungsbild ist eine blutig-schleimige Diarrhö, die Amöbenruhr. Die Amöben können aber auch in andere Organe gestreut werden und ausgedehnte Abszesse, vor allem in der Leber, verursachen. Tannich vermutet etwa 100 Amöbenleber-Abszesse pro Jahr in Deutschland.

Jeder Patient mit E. histolytica sollte behandelt werden. Die Therapie erfolgt zehn Tage lang mit Paromomycin (Humatin®). Bei invasiven Manifestationen beginnt die Therapie mit Metronidazol für zehn Tage und wird anschließend mit Paromomycin fortgesetzt. Auch Patienten mit ausgedehnten Leber-Abszessen lassen sich gut behandeln und vollständig heilen.

Angesichts der weltweiten Verbreitung des Erregers ging es in den vergangenen Jahren auch darum, bessere Testverfahren zur Erkennung von E. Histolytica zu entwickeln. Die Stuhlmikroskopie gilt inzwischen als zu ungenau, weil mit ihr ähnliche, aber apathogene Amöbenarten im Darm, besonders die Entamoeba dispar, nicht von der E. histolytica unterschieden werden können. Bei einer einmaligen Stuhluntersuchung entdecken selbst erfahrene Ärzte nur 60 Prozent der Infekte. Daher sind für ein verläßliches Ergebnis mindestens drei unabhängige Stuhlproben erforderlich.

Das Bernhard-Nocht-Institut nutzt vor allem die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zum Nachweis der E.-histolytica-DNA direkt aus Stuhlproben. Diese Methode ist nicht nur überaus sensitiv, sondern sie kann darüber hinaus sicher E. histolytica von E. dispar unterscheiden, sagte Tannich, dessen Forschungsgruppe den Test entwickelt hat.

Durch seine hohe Empfindlichkeit und Spezifität liefere er eine viel höhere Genauigkeit als die Mikroskopie. Bei Verdachtsfällen sollten Ärzte dieses Verfahren in Anspruch nehmen, so Tannich. Ein Meldeformular für Amöbiasis kann von der Homepage des Bernhard-Nocht-Instituts heruntergeladen werden.

Kontakt: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Melde- und Referenzstelle Amöbiasis-Fälle, Bernhard-Nocht-Straße 74, 20359 Hamburg, Tel. 0 40 / 42 81 84 77, Fax 0 40 / 42 81 85 12, E-Mail: tannich@bni-hamburg.de, www.bni.uni-hamburg.de

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Aktuelle Forschung

Das sind die Themen beim Deutschen Parkinsonkongress

Lesetipps
Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert