Schlaflos im Höhenlager

Eine kleine Wanderung auf einen Fünftausender? In den Tropen und Subtropen sind solche Höhen meist schneefrei und lassen sich oft ohne Klettern und Bergerfahrung erreichen. Wer sich jedoch nicht an die Höhe anpaßt, kommt schnell an seine Grenzen.

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Die Verlockung ist groß: Ein Vulkan in Vorderasien, knapp über 4800 Meter hoch, mit einem kristallklaren Kratersee. Bis auf 3700 Meter kann man mit einem Jeep fahren, dort übernachten und am nächsten Morgen über einen technisch leichten Pfad zum schneefreien Krater wandern. Doch Vorsicht - einer solchen Verlockung sollten selbst sportliche Menschen nicht nachgeben, solange sie nicht an die Höhe akklimatisiert sind.

Ein Fehler wäre bereits die Übernachtung in 3700 Meter. "Alles, was zu Beginn einer Tour über 3000 Meter liegt, ist kritisch", so Dr. Walter Treibel von der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin. Wer ohne Akklimatisierung in großer Höhe übernachtet, wird kaum ein Auge zumachen.

Denn der Körper nimmt in Ruhephasen weniger Sauerstoff auf als in Bewegung, das Atemzentrum im Gehirn wird beeinträchtigt, es kommt zu Atemstörungen mit dem Gefühl, ein Durchatmen ist unmöglich. Panikattacken sind dann oft die Folge.

Um sich zu akklimatisieren rät Treibel, zu Beginn einer längeren Bergtour immer unter 3000 Meter zu übernachten, die Übernachtungshöhe dann pro Tag nie mehr als 400 Meter zu steigern und insgesamt pro Woche nie mehr als 1500 Meter an Übernachtungshöhe zulegen.

Tagsüber soll man dann durchaus über die Übernachtungshöhe hinaus aufsteigen. "Wenn man im Nachtlager ankommt, ist es besser, ohne Gepäck weitere hundert oder zweihundert Meter auf- und wieder abzusteigen, dann schläft man besser."

Wenn es einem schlecht geht, sollte man sofort absteigen

Wer sich nicht an diese Regel hält, kann schnell Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit bekommen - Symptome einer akuten Höhenkrankheit. Gefeit ist davor niemand: Auch konditionsstarke Sportler und erfahrene Bergsteiger werden krank, wenn sie zu schnell aufsteigen. Als Faustregel gilt: Spätestens wenn es einem schlecht geht, sollte man schnell 300 bis 500 Meter absteigen.

Die akute Höhenkrankheit ist zwar häufig, jedoch meist harmlos, wenn man rechtzeitig absteigt. Kritischer ist ein Höhen-Lungenödem - dieses bemerken die Betroffenen oft erst viel zu spät. Das Ödem kann sich nach 24 Stunden in einer Höhe ab 3000 Metern entwickeln.

Ursachen sind ein erhöhter Druck im Lungenkreislauf sowie Störungen in der Kapillarmembran, bedingt durch schlechte Akklimatisierung. Beim Lungenödem kommt es plötzlich zu einem Leistungsabfall mit Dyspnoe, Husten, Erschöpfung und Fieber. Etwa ein Viertel der Erkrankten stirbt. Bei Zeichen eines Lungenödems heißt es daher: nichts wie runter!

Ab 5000 Meter kann es durch Sauerstoffmangel zu einem Höhen-Hirnödem kommen. Es endet bei 40 Prozent der Betroffenen tödlich. Anzeichen sind Gang- und Gleichgewichtsschwankungen, Halluzinationen, Apathie und schließlich Bewußtlosigkeit. Sauerstoff und Kortison können lebensrettend sein.

Mögliche Höhenerkrankungen sollten allerdings niemanden vom Bergwandern abschrecken. So kommt es nur bei einer von 1000 Trekkingtouren zu ernsthaften gesundheitlichen Zwischenfällen - meistens durch Unfälle. (mut)

Wer darf in die Höhe?

Voraussetzung für eine Wanderung in großer Höhe ist nicht nur eine gute Akklimatisierung, sondern auch eine gute Leistungsfähigkeit. Berücksichtigt werden muß, so Dr. Wolfgang Schaffert von der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin, daß die Ausdauerleistung in einer Höhe von 1500 Meter um fünf Prozent reduziert ist. Darüber sinkt sie um zehn Prozent pro tausend Höhenmeter - das ergibt minus 30 Prozent auf 4000 Meter und minus 40 Prozent auf 5000 Meter. Wer also schon auf Meereshöhe eine stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit hat, kommt in solchen Höhen nicht vom Fleck. Schafferts Tip: Wer über 4000 Meter noch trekken will, muß mindestens 2,5 Watt pro Kilogramm Körpergewicht leisten können, bei Frauen sind es 2 Watt.

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