Das größte Verletzungsrisiko ist die Ermüdung der Kicker

BREMEN (cben). Heute steigt mit der Partie Portugal - Niederlande das erste Halbfinale der EM. Bislang hat es noch keine schweren Verletzungen gegeben - mit einer Ausnahme: die von Wayne Rooney.

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Die größte Hoffnung des britischen Fußballs brach sich im Viertelfinalspiel gegen Portugal bereits nach 20 Minuten durch ein Foul seines Gegners den Mittelfußknochen - vielleicht ein Grund dafür, daß England ausschied.

Das größte Verletzungsrisiko im Profi-Fußball jedoch birgt nicht der Zweikampf auf dem Weg zum Titel oder das spektakuläre Foul, sondern schlicht die Ermüdung der Kicker. Abhilfe schaffen mehr Regeneration oder gezieltes Training bereits der Jugendspieler.

"Rund 70 Prozent aller Verletzungen der Profi-Fußballer sind Bagatellverletzungen wie zum Beispiel Prellungen", sagt Götz Dimanski, Mannschaftsarzt beim Deutschen Fußballmeister Werder Bremen. Zudem seien Spieler mit solchen Blessuren gut zu behandeln. Fußball sei ein Sport, in dem Verletzungen zu 98 Prozent geheilt werden können und Verletzungen selten länger als acht bis neun Monate dauerten, so der Fußballer und FIFA-Arzt Raúl Madero.

Aber nicht alle Blessuren gehen glimpflich ab. Beispiel Dick van Burik von Hertha BSC Berlin: Am 3. April 2003 erleidet er einen Außenband-teilanriß am Sprunggelenk. Danach beginnt ein Verletzungsmarathon: Ab 10. April wieder im Team, am 1. Mai Muskelfaserriß in der rechten Wade, ab 15. Mai wieder im Kader, am 28. August Prellung am Schienbeinköpfchen und Einblutung in die Kapsel des Kniegelenks, ab 11. September im Team, 2. Oktober Wadenverhärtung, 15. Oktober im UEFA-Cup gespielt, 23. Oktober Gehirnerschütterung, am 6. November im Team, 25. März 2004 Innenbanddehnung im Knie, 15. März im Team geplant, aber erneut ausgefallen, am 29. April 2004 schließlich eine Knie-OP.

Die Zahl der Knieverletzungen im Profi-Fußball steigt stark an, stellte die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VGB) fest, die die Spieler versichert. Sie hat 1200 Unfälle bei Bundesliga-Profis aus den Jahren 2001 und 2002 ausgewertet. Im Jahr 2001 verzeichnete sie rund 350 Knieverletzungen, im Jahr 2002 schnellte die Zahl auf 410 nach oben. Mit einem Anteil von 34 Prozent sind damit Knie und Unterschenkel mit Abstand am anfälligsten, so die VGB. Auf die Knieverletzungen folgen Knöchel- und Fußverletzungen und auf dem dritten Platz Blessuren an Hüfte, Oberschenkel und Kniescheibe.

Zwar sehen manche Zweikämpfe ausgesprochen schmerzhaft und verletzungsträchtig aus, aber "manche Verletzungen, die bislang dem Körperkontakt zugeschrieben wurden, kommen faktisch überhaupt nicht durch Körperkontakt zustande", erklärt Madero. Ursache seien Kleinsttraumata bei hoher Spielbelastung, etwa bei häufigen Stopps aus schnellem Lauf. "Verletzungen durch abruptes Abbremsen gehen vor allem auf Muskeln und Gelenke." Kurz: Die Fußballer brauchen mehr Regenerationspausen.

"Erfahrene Spieler merken, wann sie Ruhe brauchen", so Werder Bremens Vereinsarzt Götz Dimanski. Doch müssen die sogenannten "Englischen Wochen" durchgestanden werden, mit Punktspielen an den Wochenenden und Pokalspielen in der Woche.

Darum begrüßt es Uwe Tegbur, Sportarzt am Hannoveraner Anna-Stift und am Olympia-Stützpunkt Hannover, daß die Bundesligaklubs heute schon ihre Jugendspieler trainingswissenschaftlich betreuen. "Aber noch immer stehen Bundesliga-Spieler auf dem Platz, die als Jugendspieler nicht ausreichend auf die Belastungen vorbereitet wurden", sagte Tegbur, "da kommt es natürlich leichter zu Verletzungen."

Wie gut ausgeruht und trainiert der einzelne Spieler auch immer ist - die beste Methode für die Spieler, verletzungsarm durch die Saison zu kommen, ist ein großer Kader. Tegbur: "Die Ersatzbank einer Spitzenmannschaft muß immer noch so gut sein, daß sie auch ohne die Stars den Meistertitel holen kann."

"Der Sport ist eben der Spiegel unserer Gesellschaft", sagt Dimanski, "die Menschen sind immer mehr bereit, an ihre Grenzen zu gehen."

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