Nordic Walking ist für Beinamputierte der ideale Sport

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Von Hauke Gerlof

Wo auch immer Beinamputierte Sport treiben wollen - man sieht ihnen ihre Behinderung sofort an. Es ist ihnen nur selten möglich, den Sport gemeinsam mit Gesunden auszuüben, weil die Leistungsunterschiede zu groß sind. Das führt oft zu Frust und zum Rückzug vom Sport. Bei einer Sportart gibt es allerdings eine Ausnahme, und immer mehr Beinamputierte entdecken sie für sich: Nordic Walking.

    Beim Nordic Walking ist der Energieumsatz hoch, und die Gefäße werden besser versorgt.
   

"Beim Nordic Walking tragen alle Beteiligten Stöcke. Ob sie die Stöcke wegen einer Beinamputation auch im täglichen Leben brauchen, das fällt dabei nicht ins Gewicht", sagt Rudolf Ziegler. Außerdem seien die Leistungsunterschiede dank der Hilfe der Stöcke nicht so groß. Ziegler ist Nordic-Walking-Trainer und führt in Bayreuth unter anderen eine Laufgruppe für Beinamputierte.

Aus einer ersten kleinen Initiative zum Nordic Walking für Beinamputierte hat das Unternehmen medi Bayreuth ein breit angelegtes Konzept zum Nordic Walking für Beinamputierte entwickelt. Medi hat als Hersteller von Beinprothesen große Erfahrungen in diesem Bereich.

In Zusammenarbeit mit Ziegler sowie Handelsvertretern des Geschäftsbereichs Prothetik und Sanitätshäusern vor Ort werden seit einigen Monaten Aktionen für Prothesenanwender in Deutschland initiiert - mit großem Erfolg. Das Konzept heißt AMPU-NOWA und wird auch bei der Medica in Düsseldorf vorgestellt.

220 000 Beinamputierte leben in Deutschland

Schätzungen zufolge leben in Deutschland zur Zeit etwa 220 000 Beinamputierte, jährlich wird etwa 28 000 Menschen ein Bein amputiert. Im Durchschnitt sind die Betroffenen älter als 60 Jahre, mehr als 60 Prozent von ihnen leiden an Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus oder arterieller Verschlußkrankheit.

"Eine Amputation führt oft dazu, daß das Selbstvertrauen sinkt und daß die Betroffenen sich selbst isolieren", erläutert Dr. Herbert Noppeney, Internist in Bayreuth. Dabei wäre es gerade bei einer Krankheit wie Diabetes besonders wichtig, sportlich aktiv zu werden, um weitere Folgeschäden abzuwenden.

Durch den Stockeinsatz werden die Gelenke geschont

Nordic Walking ist dafür ideal geeignet: Es bringt einen hohen Energieumsatz, weil Arme und Beine gleichzeitig trainieren, durch den Stockeinsatz werden die Gelenke geschont, und es kommt zu einer besseren Versorgung der Gefäße, so Noppeney. Der Internist sieht aber auch Effekte für das Selbstwertgefühl: "Das gemeinsame Sport- und Naturerlebnis mit gesunden Menschen ist enorm wichtig." Insgesamt führe Nordic Walking damit zu einer Verbesserung der Lebensqualität Beinamputierter.

Mandy Küsel aus Magdeburg, Jahrgang 1977, war zunächst skeptisch. Ihr ist nach einem Motorradunfall 1997 ein Bein amputiert worden. Trotzdem ist sie schon länger sportlich aktiv. "Ich probiere es einfach mal aus, lachen kann ich immer noch hinterher", habe sie sich gedacht, als sie von der Initiative hörte.

Doch sie lachte nicht, im Gegenteil: "Es war das erste Mal seit der Amputation, daß ich wieder aus eigener Kraft ein Gefühl der Geschwindigkeit erreicht habe, als ich den Luftzug beim Laufen gespürt habe", beschreibt die 28jährige ihre Erfahrung. Die Stöcke entlasteten beim Gewicht und ermöglichten auch die schnelle Vorwärtsbewegung, so Küsel. "Da kann wirklich die ganze Familie gemeinsam den Sport ausüben."

Mittlerweile ist Küsel innerhalb der Initiative AMPU-NOWA selbst als Lauftrainerin aktiv. Die Initiative breitet sich seit Anfang des Jahres schnell über Deutschland aus. Die Vision von Medi ist ein flächendeckendes Walking-Angebot für Beinamputierte in ganz Deutschland.

Informationen: medi Bayreuth, 95448 Bayreuth, www.medi.de. Webadresse zum Thema: www.stolperstein.com

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