INTERVIEW

Wer jung trainiert, dem fällt Sport im Alter leicht

Auch die Sportwissenschaftler haben das Thema Sport und Alter für sich entdeckt. Mit Training kann man 20 Jahre 40 bleiben, so ein Leitsatz. Bei der Tagung "Sport und Gesundheit in der Lebensspanne" in Bad Schönborn hat Professor Klaus Bös aus Karlsruhe mit unserer Mitarbeiterin Wiebke Kathmann gesprochen.

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Ob jung, in mittleren Jahren oder älter – Bewegung ist immer wichtig.

Ob jung, in mittleren Jahren oder älter – Bewegung ist immer wichtig.

© Fotos: CatPaty, Tarzoun, Markus Gössingwww.fotolia.de

Ärzte Zeitung: Herr Professor Bös, Sie erforschen seit langem die Einflüsse sportlicher Aktivität in den verschiedenen Lebensphasen auf die Gesundheit. Was ist Ihre Kernerkenntnis?

ZUR PERSON Professor Klaus Bös, Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaften der Uni Karlsruhe, gründete die Kommission Gesundheit in der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft.

Professor Klaus Bös: Dass das Sprichwort "Was Hans nicht lernt..." auch hier gilt. Die Bewegungskompetenz muss möglichst früh erworben werden. Sonst können Sie später nicht anknüpfen. Dazu ein Beispiel: In unseren Walking-Gruppen gibt es sehr viele Frauen. Die haben 20 Jahre nichts gemacht. Sie steigen mit 45, 50 wieder ein und sind plötzlich viel geschickter als ihre Männer - auch wenn sie nie im Verein waren. Warum? Weil sie als Mädchen richtig viel gespielt haben, Hüpfspiele, Tanzspiele, Gummitwist. Da können sie mühelos wieder ansetzen.

Ärzte Zeitung: Wann sollte die Bewegungskompetenz erworben werden?

Bös: Unsere Studien KIGGs, die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, und MoMo - das steht für Motorik Modul - haben gezeigt, dass bei Kindern im Alter von sechs Jahren im Vergleich zu früher noch keine schlechtere Bewegungskompetenz zu beobachten ist. Das Problem beginnt im Alter von zehn Jahren und ist dann bei den 15-Jährigen deutlich ausgeprägt. Das ist ein Indikator dafür, dass sich der Lebensstil verändert hat. Denn unser genetisches Potenzial hat sich in den letzten 500 Jahren nicht verändert.

Aktivität, Fitness und Gesundheit sind also miteinander verbunden. Würde man erst im Gymnasium beginnen, hätte man schon viel versäumt. Zudem gibt es dann für die Schüler nur geringe Zeitressourcen. Wir sollten also am besten im Vor- oder Grundschulalter ansetzen, zumal Verhaltensdimensionen früh geprägt werden und über die Lebensspanne relativ stabil sind. Ganztagsschulen stellen eine große Chance dar, die genutzt werden sollte.

Ärzte Zeitung: Wie viel Sport sollte es sein?

Bös: Mindestens eine Stunde Sport pro Tag ist für Kinder und Jugendliche ein Muss. Wir haben eine richtig schöne Studie zur Wirkung von täglicher Bewegungszeit gemacht und gezeigt, dass diese auch intensiv sein muss. Ein bisschen Singen und Tralala reichen nicht. Das entspricht auch der Guideline für Kinder und Jugendliche. Neben der Intensität ist außerdem die Vielfalt im Kindesalter wichtig.

Ärzte Zeitung: Und was gilt in der Lebensmitte?

Bös: Hier geht es um den Erhalt der Fitness. Bei Erwachsenen sind unter dem Aspekt der Gesundheit 10 000 Schritte pro Tag das Ziel, was man wunderbar mit dem Schrittzähler messen kann. Aber selbst wenn wir uns Mühe geben, machen wir heute meist nicht mehr als 3000 Schritte pro Tag. Sie haben nur eine Chance, wenn Sie einen Hund oder kleine Kinder haben.

Es ist also nicht leicht, die Intensitäten zu erreichen, die auch gesundheitlich präventiv wirksam sind. Auch die Gesundheitsministerin hat in der Kampagne "Deutschland wird fit. Gehen Sie mit" das Pensum auf nun 3000 Schritte extra korrigiert. Das heißt täglich dreißig Minuten zusätzlich gehen.

Wenn es nicht nur um Gesundheit, sondern darum geht, Leistung zu erhalten, dann geht es auch um Bewegungsqualität und damit Intensität. Denn wir arbeiten ja gegen den Leistungsverlust. Der beschleunigt sich ab 55, wie wir in der Bad Schönborner Studie an 500 Personen im Alter von 35 bis 55 Jahren zeigen konnten, die wir seit 1992 begleitet haben. Die Entwicklungsverläufe zeigen, dass man mit Training problemlos 20 Jahre 40 bleiben kann, 30 Jahre 50 funktioniert dagegen nicht.

Ab 55 kann man in aller Regel nicht mehr so gut trainieren und müsste sehr viel Trainingszeit investieren, um die frühere Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Ärzte Zeitung: In der Phase von Beruf und Familie haben sehr viele Menschen aber häufig keine freien Valenzen, um regelmäßig Sport zu treiben.

Bös: Eine Pause von zehn Jahren in der Lebensmitte muss kein Problem sein. Aber man kann nur wieder einsteigen, wenn man über bestimmte Kompetenzen verfügt. Diese Kompetenzen muss man sich in der Jugend aneignen.

Ärzte Zeitung: Und wie sieht es mit Bewegung in der späten Lebensphase aus?

Bös: Im Seniorenalter sind die Ziele der Bewegung wieder andere. Es geht um Lebensqualität und Mobilität, denn den Jahren soll ja Leben hinzugefügt werden. Dafür muss es nicht Sport sein, aber regelmäßige Bewegung.

Ärzte Zeitung: Eine schwedische Studie hat ja zeigen können, dass sportliche Aktive seltener an einer Demenz erkranken. Was bringt Sport, wenn Patienten schon demenzkrank sind?

Bös: Echte Studiendaten gibt es dazu bisher nicht. Aber Pilotprojekte zeigen, dass sich Bewegungsinterventionen auch dann noch lohnen. Nach unserer Erfahrung vor allem Krafttraining, gepaart mit Gleichgewichtstraining, denn dort liegen im Alter die größten Defizite.

Beispielsweise konnte meine Assistentin, Dr. Susanne Tittlbach, in einem Pilotprojekt bei hochbetagten Patienten in Pflegeheimen zeigen, dass sich kognitive Verschlechterungen aufhalten lassen, dass sich Sicherungsmaßnahmen reduzieren lassen und sich insgesamt leichte Verbesserungen in den motorischen Fähigkeiten und Alltagsaktivitäten ergeben. Zumindest lässt sich die Lebensqualität für Patient und Betreuer verbessern.

Gesundheitsprävention durch Sport

MoMo-Studie: Deutschlandweite Studie zwischen 2003 und 2006 an 167 Orten. In der Studie wurden die körperlich-sportlichen Aktivitäten von 4529 Probanden im Alter zwischen vier und 17 Jahren analysiert. Mehrere motorische Tests standen auf dem Programm. www.motorik-modul.de

Bad Schönborner Projekt zur Gesundheitsförderung: Das Projekt "Gesundheit zum Mitmachen" mit 500 Bürgern aus Bad Schönborn bei Heidelberg wurde im Jahre 2007 mit dem Präventionspreis ausgezeichnet. www.deutscher-praeventionspreis.de

ZUR PERSON

Professor Klaus Bös, Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaften der Uni Karlsruhe, gründete die Kommission Gesundheit in der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft.

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