HINTERGRUND

Prävention: Der Geist ist willig - das Fleisch ist schwach

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

Für das Foto mit dem Ministerpräsidenten hielt der Nachwuchs aus dem Kindergarten gerne Obst und Gemüsesäfte in die Kameras. So gesund wie am AOK-Stand auf dem Gesundheitswirtschaftskongress ernähren sich Kinder und Erwachsene in Mecklenburg-Vorpommern allerdings nicht immer.

Viele von ihnen essen zu viel und zu fett und lassen sich auch von den Präventionsangeboten der Krankenkassen nur schwer zu einer Änderung ihres Lebensstils motivieren.

Zwischen Einsicht und Verhalten klafft auch politisch eine Lücke.

Dass ausgerechnet aus dem Nordosten jetzt ein Signal für einen erneuten Vorstoß zum Präventionsgesetz kommt, ist also kein Zufall. Staatssekretär Rolf Schwanitz aus dem Bundesgesundheitsministerium hatte sich auf dem Kongress in Rostock Rückenwind für die Pläne seiner Chefin Ulla Schmidt geholt und konnte zufrieden zurück nach Berlin reisen.

Denn auf der Tagung wurde nicht nur ein Landesaktionsplan zur Prävention und Gesundheitsförderung vorgestellt. Kongresspräsident Professor Horst Klinkmann trommelte auch heftig für das bundesweit umstrittene Gesetz. Er empfindet es als "unwürdig", dass Deutschland kein Präventionsgesetz hat. "Das heißt, dass wir nur für Reparaturen zahlen", verkürzte Klinkmann die Folgen.

Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) zeigte sich ebenfalls als Anhänger eines Präventionsgesetzes - von verbindlichen Vorgaben und festgeschriebenen Ansprüchen der Versicherten verspricht sich der Landesvater eine größere Teilnahme seiner Mitbürger an Präventionsprogrammen.

Vitamine für eine schwache Volkswirtschaft

Was Ringstorff nicht ausdrücklich sagte, aber sicherlich auch eine Rolle beim Werben für das Präventionsgesetz spielt: Von gesetzlich festgeschriebenen Ausgaben für Präventionsangebote erhoffen sich Politiker und Programmanbieter einen finanziellen Schub für das Bundesland, das in kaum einer anderen Branche so gut aufgestellt ist wie in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Gesundheitstourismus. Das wären Vitamine für das strukturschwache Küstenland.

Schwanitz warb mit anderen Argumenten für das Gesetz:

  • Es könnten mehr Menschen mit den Programmen erreicht werden, weil aufsuchende Angebote etwa in Schulen möglich wären.
  • Das Geld - immerhin rund 200 Millionen Euro wenden die Kassen derzeit auf - könnte effektiver eingesetzt werden. Derzeit fließt ein großer Teil in Einzelmaßnahmen für Versicherte.
  • Es könnte ein gesamtgesellschaftliches Umdenken einsetzen, da neben den gesetzlichen Krankenkassen auch weitere Kostenträger wie Renten- und Pflegeversicherung, private Krankenversicherer und Unfallkassen einbezogen werden sollen.

Dass es nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern Probleme bei Bewegung und Ernährung gibt, machte Leichtathletin Heike Drechsler deutlich. Zuwenig Sportanlagen, zu geringer Stellenwert des Sports in den Schulen und mangelnde Vorbilder im Elternhaus hat die frühere Weltklassesportlerin, die im Auftrag der Barmer Ersatzkasse zu mehr Bewegung motiviert, in weiten Teilen Deutschlands beobachtet. Für Jugendliche fehle es an Konzepten, die sie über die Pubertät hinaus zum Sport motivieren.

Doch gerade die Krankenkassen zeigten sich in Rostock nicht bereit, das von Klinkmann und Schwanitz geforderte "starke Signal" zu unterstützen. Um einem Präventionsgesetz zuzustimmen, pochen die Krankenkassen darauf, dass sie nicht als einziger Zahler auftreten und dass sie weiterhin über die Mittelvergabe entscheiden.

Bernd Nowakowsi, Referent Gesundheit und Prävention bei der AOK Mecklenburg-Vorpommern, sieht sein Land bei der Vernetzung von Präventionsangeboten weiter als andere Länder. Er befürchtet, dass mit dem Gesetz wieder unnötige bürokratische Hemmnisse aufgebaut werden und Gremien wie etwa Stiftungsräte die Mittelvergabe für regionale Projekte eher hemmen als forcieren. Damit nutzen Kritiker und Befürworter des Präventionsgesetzes das gleiche Argument: Beide behaupten, dass über ihren Weg die Mittel effektiver eingesetzt werden.

STICHWORT

Branchenkonferenz Gesundheit

Die nationale Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft lädt einmal jährlich Vertreter aus Politik, Unternehmen und Verbänden nach Rostock ein, um ausgewählte Themen aus der Branche zu vertiefen. Auftraggeber ist das Land Mecklenburg-Vorpommern, das die Konferenz 2005 mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums aus der Taufe hob und in den Folgejahren zusammen mit dem Kuratorium Gesundheitswirtschaft etabliert hat. Die Regierung erhofft sich von der Branchenkonferenz einen Schub für die Gesundheitswirtschaft im Nordosten. (di)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Strohhalm Prävention

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