Zwischen Versorgung und Forschung

HEIDELBERG. Sie gelten nach wie vor als die Flagschiffe der medizinischen Versorgung. Doch auch die bundesweit 32 Universitätsklinika müssen sich angesichts wirtschaftlicher und politischer Zwänge zunehmend rüsten. Das wurde auch beim 69. ordentlichen Medizinischen Fakultätentag (MFT) in Heidelberg deutlich. Notwendige Neustrukturierungen und die von manchen Politikern gewünschte (Teil-)Privatisierung der Hochschulmedizin standen hier zur Diskussion.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:
Die Uniklinik Gießen-Marburg wurde bereits privatisiert, viele private Investoren interessieren sich für Kooperationen mit Hochschulkrankenhäusern.

Die Uniklinik Gießen-Marburg wurde bereits privatisiert, viele private Investoren interessieren sich für Kooperationen mit Hochschulkrankenhäusern.

© Foto:Wegst

"Zwei Drittel der Universitätsklinika schreiben mittlerweile immerhin schwarze Zahlen", berichtete Professor Jörg Rüdiger Siewert, Ärztlicher Direktor des Heidelberger Universitätsklinikums vor den rund 200 Besuchern des Fakultätentages. Die Umstellung auf die neue Vergütungsregelung DRG sei vollzogen, die Angst vor der Pleite für die meisten Häuser vom Tisch, sagte er. Dennoch seien die Universitätskliniken gefordert, sich zu rüsten.

"Spitzenforschung erfordert zum Beispiel eine Schwerpunktsetzung", betonte der Generalsekretär des Wissenschaftsrates Wedig von Heyden. Auch über die Vernetzung mit benachbarten Fächern müsse dabei nachgedacht werden, so der Ministerialdirigent.

Bereits jetzt seien die Anforderungen an die Uniklinika außerordentlich hoch, waren sich alle Anwesenden einig. So sollen die Mediziner nicht nur in Forschung und Lehre am besten exzellent sein, sondern auch die qualitativ hochwertige medizinische Maximal-Versorgung der Patienten aufrechterhalten. Dass dabei wirtschaftliche Kriterien einzuhalten sind, versteht sich von selbst.

Die Kliniken müssten sich dringlich Gedanken darüber machen, ob sie mehr im Bereich der Forschung oder der Lehre ihren Schwerpunkt setzen wollten, forderte von Heyden in diesem Zusammenhang. Eine Differenzierung in diesem Punkt sei unumgänglich. Eine aktuelle Umfrage des Wissenschaftsrates unter Studierenden des Sommersemesters 2007 habe erneut deutlich gemacht, dass ein Professor nicht automatisch die Bereiche Forschung, Lehre, und medizinische Krankenversorgung gleichermaßen perfekt abdecken könne.

Wissenschaftsrat empfiehlt Professur mit Schwerpunkt Lehre.

"Für viele Mediziner ist die Forschung alles, die Lehre jedoch nachrangig", sagte Heyden. Nicht umsonst werde gerne von einer "Lehrbelastung" gesprochen. Es sei daher wichtig, die Lehre auf die "gleiche Augenhöhe" zu bringen, wie die Forschung. Der Wissenschaftsrat arbeite deshalb auch derzeit an einer Empfehlung, nach der in den Universitätsklinika eine Professur mit Schwerpunkt Lehre eingeführt werden soll. Das Land Baden-Württemberg habe erfreulicherweise bereits ein entsprechendes Gesetz vorgesehen.

Es gelte die Kräfte der Hochschulmedizin zu bündeln, fasste Siewert zusammen. Es müsse im übrigen auch die Frage geklärt werden, wie man mit privaten Investoren künftig verhandeln wolle. Immer mehr private Träger seien daran interessiert, mit dem Flaggschiff Universitätsklinik zu kooperieren, um von dem Image und Know-how zu profitieren. "Wir müssen fragen: Was ist Euch das wert?", so Siewert. Erst vor kurzem hatte auch ein Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger den Universitätsklinika in Baden-Württemberg eine Öffnung empfohlen. In wie weit die Teilprivatisierung der Hochschulmedizin für Baden-Württemberg noch ein Thema werden kann, das wollen Siewert und seine Kollegen in den nächsten Wochen bei einem Gespräch mit Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) erläutern.

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