Psychiater unter starkem Kostendruck

DELMENHORST (cben). Die ambulante Versorgung psychisch Kranker in Niedersachsen wird derzeit umgekrempelt. Der Verdrängungswettbewerb durch die privatisierten Landeskrankenhäuser und die magere Honorierung psychiatrischer Leistungen gefährden und verteuern die ambulante Behandlung der Patienten.

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Diese Meinung vertrat unter anderen Roland Ziemann vom Niedersächsischen BKK-Landesverband auf der Fachtagung "Zukunft der psychiatrischen Versorgung in Niedersachsen" in Delmenhorst.

Immer mehr Menschen werden seelisch krank. Nach Worten von Wolfram Beins vom Landesfachbeirat Psychiatrie stehen Erkrankungen wie Schizophrenie, Angst oder Süchte "an prominenter Stelle unter den 80 Krankheitsgruppen des Morbi-RSA", wie er auf der Tagung vor dem fast voll besetzten Auditorium sagte.

Das heißt: Kassen und Ärzte müssen sich verstärkt um psychisch Kranke kümmern. Die Versorgung durch niedergelassene Psychiater indessen steht von zwei Seiten unter Druck, erklärten viele Referenten. Erstens durch die schlechten Honorare für die niedergelassenen Fachärzte und zweitens durch die wachsende Marktmacht der Klinikkonzerne.

Die Honorierung der psychiatrischen Leistungen ist schlecht. Denn nach wie vor floated der Punktwert für die zeit- und patientenintensive Versorgung von Psychiatriepatienten, so Helmut Scherbeitz von der KV Niedersachsen, Bezirksstelle Oldenburg. Die Psychotherapeuten sind einst bis vor das Bundessozialgericht gezogen, um feste Punktwerte einzuklagen, so Scherbeitz. Mit Erfolg. Die Psychiater allerdings sind nicht so weit gegangen und haben sich im Wesentlichen durch die neurologischen Leistungen über Wasser gehalten. Entsprechend selten werden psychiatrische Leistungen erbracht. Seit 2002 ist die Zahl der niedergelassenen Psychiater um zehn Prozent gesunken.

Zweitens stehen die niedergelassenen Psychiater von Seiten der Krankenhauskonzerne unter Druck. Die Klinikkonzerne bauen die Zahl der Tagesklinikbetten aus. Zugleich verschaffen sie sich über immer mehr Institutsambulanzen den Markteintritt bei der ambulanten Versorgung. Roland Ziemann: "Die Anzahl der psychiatrischen Institutsambulanzen ist um fast 40 Prozent und die Anzahl tagesklinischer Plätze ist bei unveränderten vollstationären Behandlungskapazitäten um fast zehn Prozent gestiegen."

Nach Paragraf 118 SGB V ist das zwar möglich, solange es in den Ambulanzen um Patienten geht, die "wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung" oder wegen des weiten Weges zur nächsten Facharztpraxis keine Alternative haben. "Aber wenn mitunter nur vier Patientenkontakte pro Quartal angegeben werden, könnte man vermuten, dass die Ambulanzen auch leichter erkrankte Patienten versorgen", sagte Ziemann. "Die ambulante Versorgung ist damit einer unkontrollierten, massiven Konkurrenz finanzstarker Klinikgruppen ausgesetzt."

Lange Liste mit Forderungen an die Kliniken

Die Ambulanzen sollten nur "den Teil der Versorgung übernehmen, die der Niedergelassene nicht leisten kann", sagte Dr. Norbert Wichert, niedergelassener Psychiater aus Delmenhorst.

Er präsentierte den Kliniken eine lange Liste von Forderungen: Die Weiterverlegung der Patienten soll mit dem Niedergelassenen besprochen werden, bei Bedarf sollen Patienten schnell auf Station übernommen werden, die zweifache Ausfertigung des Arztbriefes für den Hausarzt und den Psychiater sollte Standard sein.

Sind mehr Direktverträge die Lösung?

Zudem sollten weniger Medikamente im Off-label-Use verschrieben werden. "Denn Niedergelassene bekommen solche Verordnungen nur bei schwer wiegenden Beeinträchtigungen und lebensgefährlichen Krankheiten erstattet", sagte Wiechert.

Mehr Direktverträge zwischen den Kassen und den niedergelassenen Ärzten sowie Pflegediensten im Sinne der Integrierten Versorgung (IV) könnten die Lösung sein, hieß es in Delmenhorst.

Der BKK-Landesverband und die DAK arbeiten bereits mit entsprechenden IV-Verträgen. Derzeit nehmen in Niedersachsen 80 Praxen und 24 Pflegedienste an den Verträgen zur Integrierten Versorgung von psychisch Kranken teil. Wolfram Beins: "Die Fachärzte und Pflegedienste in Niedersachsen müssen die Kassen weiter als Kooperationspartner gewinnen. Wir dürfen die Versorgung psychisch Kranker nicht allein dem Markt überlassen."

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