Merkels kleines Gesundheitskabinett - eine Friedenstruppe für den Prämienstreit

Der Auftrag, auf den sich das Bundeskabinett am Mittwoch verständigt hat, klingt harmlos: Eine Regierungskommission, bestehend aus acht Bundesministern, soll Vorschläge zur "nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens" erarbeiten. Es könnte eine Mission impossible werden.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Die Befürworter
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BERLIN. "Wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis." Ende Oktober wussten Union und FDP - Wahlsieger der Bundestagswahl am 27. September 2009 - in ihren Koalitionsgesprächen offenbar nicht weiter. Zu weit entfernt voneinander lagen die Vorstellungen über den künftigen Kurs in der Gesundheitspolitik. Der Kompromiss im Koalitionsvertrag: eine Regierungskommission zur Gesundheitsreform.

Am Mittwoch ist diese Kommission, bestehend aus acht Bundesministern, vom Kabinett auf die Reise geschickt worden. Sie soll Vorschläge zur "nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens" erarbeiten. Diese sollen Grundlage der kommenden Gesundheitsreform sein, die - so der Wunsch der Koalitionäre - bereits 2011 in Gesetzestext gegossen werden soll.

Acht Bundesminister sollen Reformvorschläge erarbeiten

Dass das kleine Gesundheitskabinett unter Leitung von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) die an sie gestellte Aufgabe stemmen kann, muss bezweifelt werden. Zu tief sind die Gräben zwischen den Koalitionspartnern, allen voran zwischen FDP und CSU, um eine schnelle Einigung hinzubekommen. Während die Liberalen seit Monaten unermüdlich werben für die schrittweise Einführung der Gesundheitspauschale, flankiert durch einen über Steuern finanzierten Sozialausgleich für Geringverdiener, torpedieren die Christsozialen das FDP-Projekt, wo und wann immer sie können. "Völliger Nonsens" sei das, schimpft Prämienfeind Nummer eins, CSU-Chef Horst Seehofer.

Sein Gesundheitsminister Markus Söder assistiert ihm mit dem Hinweis, die Steuermittel reichten bei weitem nicht aus, um einen vermeintlich milliardenteuren Sozialausgleich für die Pauschale finanzieren zu können. Das FDP-Modell habe daher wenig Perspektive. Und weil das so sei, solle sich die mit der Ausarbeitung eines Reformkonzeptes beauftragte Regierungskommission erst gar nicht auf die Frage der Kopfpauschale "verengen" und stattdessen über Bürokratieabbau und Ausgabenbegrenzung im Gesundheitswesen reden.

Die FDP dagegen verweist auf den Koalitionsvertrag, wo unter anderem folgende Sätze stünden: "Langfristig wird das bestehende Ausgleichssystem überführt in eine Ordnung mit mehr Beitragsautonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden. Weil wir eine weitgehende Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnzusatzkosten wollen, bleibt der Arbeitgeberanteil fest." Diese Festlegungen im Koalitionsvertrag seien zugleich Auftrag der Kommission. Und der laute: Prämiensystem.

FDP und CSU streiten, die CDU versucht zu schlichten

Und die CDU? Sie übt sich in der Rolle des Schiedsrichters, der Zuversicht versprüht, dass alles friedlich ausgeht. Gemeinsames Ziel der Koalition sei es, "die Lohnkosten von der Entwicklung der Gesundheitskosten teilweise zu entkoppeln", so Unions-Gesundheitsexperte Jens Spahn, der Gaststatus bei den Kommissionsgesprächen hat. Alle Beteiligten seien sich einig, dass die Reform "Schritt für Schritt" komme. "Evolution statt Revolution lautet das Stichwort."

Solche Beruhigungspillen dürften aber Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und andere in der Union nicht davon abhalten, ihren Finger immer wieder in die aus ihrer Sicht offene Wunde der FDP-Pläne für ein Prämienmodell mit Sozialausgleich zu legen: die Frage der Finanzierung. Wenn man "für irgendeine große Aufgabe einen zweistelligen Milliardenbetrag an Steuergeldern" brauche, dann müsse man auch sagen, woher das Geld kommen solle, hatte Schäuble seinem Kabinettskollegen Rösler erst kürzlich wenig charmant mit auf den Weg gegeben. Niemand in der Bundesregierung könne Geld drucken. Deutlicher kann ein Nein nicht ausfallen.

Am Ende entscheiden die drei Parteivorsitzenden

Dass Schäuble seine Meinung bei den am 17. März beginnenden Verhandlungen über die Gesundheitsreform ändern wird, ist unwahrscheinlich. Schnelle und vor allem greifbare Resultate der Kommission sind deshalb eher unwahrscheinlich. Obendrein ist Knatsch mit den Ländern programmiert - zu den Gesprächen der Kommission wurden diese erst gar nicht eingeladen.

Am Ende dürfte es darauf hinauslaufen, dass die Gesundheitsreform nicht von den Mitgliedern der Kommission, sondern beim gemeinsamen Abendessen der Parteivorsitzenden Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle entschieden wird. Mittwochabend trafen sich die drei erneut zum Sechs-Augen-Gespräch. Es sei der Beginn des "Frühlingserwachens" gewesen, hieß es.

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