Wie der Hausärztemangel Kommunalpolitiker im hessischen Haiger auf den Plan ruft

Haiger in Mittelhessen hat 20 000 Einwohner und ein Problem, das bundesweit immer mehr Kommunen betrifft: Der Hausärztemangel in der Stadt nimmt gravierende Formen an. Die Verunsicherung der Bürger wächst.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Idyllischer Marktplatz: Haiger bietet Lebensqualität, aber die ambulante medizinische Versorgung ist gefährdet.

Idyllischer Marktplatz: Haiger bietet Lebensqualität, aber die ambulante medizinische Versorgung ist gefährdet.

© Baumgarten/ Stadt Haiger

Immer weniger Hausärzte - das verärgert Haigers Bürger und ruft Kommunalpolitiker auf den Plan. Dr. Andreas Steiner stammt aus der Region, ist Hausarzt und Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. "Wir machen hier mit sechs Hausärzten die Arbeit von neun Kollegen", sagt er. "Wir arbeiten am absoluten Limit, so kann es nicht weitergehen."

Kommunalpolitiker der Stadt wollen nicht länger tatenlos zusehen. Haigers Stadtverordnete haben deshalb eine Resolution verabschiedet, die vor kurzem der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in Frankfurt überreicht wurde. Die Botschaft: Die KV muss sich mit aller Kraft gegen einen weiteren Ärzteabbau in der ländlichen Gegend und insbesondere in Haiger aussprechen.

Die Kommunalpolitiker haben ein Kernproblem identifiziert: Frei werdende Arztpraxen, so ihre Forderung, dürften nicht im Kreisgebiet - Haiger liegt im flächenmäßig großen Lahn-Dill-Kreis - vergeben werden, sondern müssten am gleichen Standort gebunden bleiben. Das bedeutet: Die Bedarfsplanung müsse sich an den einzelnen Gemeinden ausrichten und nicht auf Kreisebene fixiert werden.

Eigentlich muss sich Haiger, das an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen liegt, nicht verstecken. Die Stadt liegt landschaftlich attraktiv zwischen Westerwald und Rothaargebirge, hat viele idyllische Ortsteile und Wald, so weit das Auge reicht. Weit weg vom Schuss? Davon kann keine Rede sein. Die Lage ist zentral. Die Uni-Stadt Siegen etwa liegt buchstäblich vor der Haustür. "Der Standort ist von bis zu 235 000 Kunden innerhalb von 20 Minuten mit PKW und öffentlichem Nahverkehr zu erreichen", wirbt die Stadt nicht ohne Stolz. Mit der Qualität der Infrastruktur muss sich Haiger nicht verstecken. Also alles im Lot - wenn da nicht das Problem mit dem Hausärztemangel wäre.

In den vergangenen Monaten und Jahren seien in Haiger zwei Praxen für Allgemeinmedizin, eine internistische Hausarztpraxis, eine Frauenarzt- und eine Zahnarztpraxis geschlossen worden, berichtet Hausarzt Steiner. Die Kassenarztsitze sind an Ärzte in weiter abgelegenen Orten im Kreisgebiet verkauft worden - mit gravierenden Folgen für die ambulante Versorgung vor Ort.

Für Haigers Bürgermeister Dr. Gerhard Zoubek richtet sich der Hilferuf der Stadt nicht nur an die KV, sondern auch nach Wiesbaden, in Richtung Landesregierung. Zoubek: "Man kann einen wirtschaftsstarken Standort nicht einfach so ins Leere laufen lassen."

Harte Fakten präsentierte bei der Übergabe der Resolution Hessens KV-Chefin Dr. Margita Bert. Im Planungsbereich Lahn-Dill-Kreis sind danach insgesamt 174 Hausärzte tätig. Der aktuelle Bedarfsplan für die ambulante kassenärztliche Versorgung weist für die Gruppe der Hausärzte in diesem Landkreis einen Versorgungsgrad von 110,96 Prozent aus. Nur wenn der Bedarf im Planungsbereich um mehr als 50 von 100 Prozent unterschritten wird, könne von einer Unterversorgung die Rede sein. Das ist nicht der Fall. Also: keine Unterversorgung.

Hessens Hausärzte sind im Durchschnitt 52,6 Jahre alt, so KV-Chefin Bert weiter. Bei Hausärzten im Lahn-Dill-Kreis liegt der Durchschnitt bei 53,73 Jahren. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Für Jörg Osmers aus dem hessischen Gesundheitsministerium ist Haiger ein Beispiel von vielen Kommunen, die mit Blick auf den Ärztemangel in die Bredouille geraten. Er bedauert, dass sich immer weniger Studenten als Allgemeinarzt qualfizieren wollen und nennt Ideen, wie das Problem zu bewältigen wäre: eine Landarztquote etwa, eine Aufweichung des Numerus Clausus, ein verpflichtender Hausarztabschnitt im Studium. Aber das alles sei Sache des Bundes, und nicht der Länder.

Der Schwarze Peter wandert also nach Berlin. Doch das hilft den Patienten und Ärzten in Haiger nicht weiter.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kein Konzept gegen Ärztemangel

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