Ein Hessen-Modell für Hausarzt-Weiterbildung

Hessen vorn? Für die Hausarzt-Weiterbildung gilt der Wahlspruch des früheren Ministerpräsidenten Georg August Zinn bisher nicht.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Jetzt geht’s los: Hessen will sich mit besserer Weiterbildung für angehende Hausärzte empfehlen.

Jetzt geht’s los: Hessen will sich mit besserer Weiterbildung für angehende Hausärzte empfehlen.

© Jung / fotolia

FRANKFURT/MAIN. Die Weiterbildung zum Hausarzt ist in Hessen alles andere als optimal. Eine Gruppe von Allgemeinmedizinern der Universitäten Frankfurt/Main und Marburg hat zusammen mit jungen Ärzten in Weiterbildung ein Konzept entwickelt, um die Allgemeinmedizin in Hessen zukunftsfähig zu machen. "Es gibt einen großen Nachholbedarf", sagt Professor Ferdinand M. Gerlach vom Institut für Allgemeinmedizin in Frankfurt.

Als kürzlich einige seiner besten Medizinstudenten nach Heidelberg abgewandert sind, hatte Gerlach genug: "In Heidelberg gibt es ein Kompetenzzentrum mit attraktiven Verbund-Weiterbildungsangeboten, die von drei Landesministerien gefördert werden. In Hessen gibt es dazu keine konkurrenzfähigen Angebote." Die seien jedoch nötig, um die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin für den Nachwuchs attraktiver zu machen.

In Hessen sind Landärzte schon heute in einigen Regionen knapp, etwa im Landkreis Darmstadt-Dieburg und im Landkreis Fulda. Gründe für den Nachwuchsmangel sind die schlechte Bezahlung während der Praxisphase, aber auch die fehlende Struktur der Weiterbildung: "Organisation und Koordination der Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin sind derzeit so kompliziert, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte abgeschreckt werden", heißt es in dem Positionspapier. Im Unterschied zu den Chirurgen oder Internisten müssten angehende Hausärzte viele Fach- und Stellenwechsel organisieren, was wiederum eine Fülle von Problemen nach sich ziehe.

An Konzepten gegen den Ärztemangel arbeiten derzeit viele Institutionen in Hessen. Beispielsweise haben die KV und der Landkreistag eine gemeinsame Lenkungsgruppe auf Landesebene etabliert. Das Land plant eine Imagekampagne für den Landarztberuf und will darauf hinwirken, dass jede Medizinfakultät einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin bekommt. Und auch die Verbesserung der Weiterbildung für Allgemeinmediziner ist ein Thema, das viele Gremien beschäftigt. Beispielsweise ist die Landesärztekammer dabei, einen Runden Tisch zur Weiterbildung einzurichten. Ihm sollen unter anderem Vertreter der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Chefärzteverband und Marburger Bund angehören sowie junge Ärzte mit eigenen Ideen.

"Unser Konzept ist als Vorschlag zu verstehen", sagt Gerlach. "Es geht uns nicht darum, den etablierten Playern wie KV, Kammer, Krankenhausgesellschaft und Berufsverbänden Kompetenzen oder Zuständigkeiten streitig zu machen." Ziel der Vorschläge sei vielmehr, eine "klaffende inhaltliche Lücke zwischen den Institutionen" zu schließen. Zum Beispiel durch die Einrichtung von flächendeckenden Weiterbildungsverbünden, die die Fächerabfolge koordinieren, eine individuelle Betreuung bieten und die Zahl der Arbeitsverträge in Kliniken und Praxen für den Einzelnen auf ein Minimum reduzieren und so den bürokratischen Aufwand verringern.

Eine weitere Forderung von Gerlach und seinen Mitstreitern ist die Einrichtung von Koordinierungsstellen für die Allgemeinmedizin, die an den Instituten in Frankfurt und Marburg eingerichtet werden könnten. Die Einrichtungen sollen mehr sein als eine Anlaufstelle für den Nachwuchs: Zu den Aufgaben zählen beispielsweise Maßnahmen zur Motivationsförderung und die zentrale Koordination der Weiterbildung zum Allgemeinarzt. Im Zusammenwirken mit der KV Hessen sei es zudem möglich, die Niederlassung in der Praxis zu unterstützen - etwa durch eine Praxisbörse zur landesweiten Vermittlung von Nachfolgern für vakante Hausarztsitze oder durch die Unterstützung von Programmen zur Vorbereitung auf die Arbeit eines Hausarztes auf dem Land.

In Baden-Württemberg, so Gerlach, habe die von der Uni Heidelberg koordinierte Weiterbildung des Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin zu einem klaren Anstieg der Bewerber geführt. Die Landesärztekammer gebe dort mit der Weiterbildungsordnung den Rahmen der Weiterbildung vor und organisiere die Facharztprüfungen. "So könnte es auch in Hessen laufen", sagt Gerlach.

Erste praktische Erfahrungen mit der Verbundweiterbildung liegen in Hessen bereits vor, seit 2002 wird sie beispielsweise am Uniklinikum Marburg erprobt. Ziel ist, mit einem koordinierten Durchlaufen der einzelnen Krankenhausabteilungen und Praxen die Qualität der Weiterbildung zu verbessern und die Attraktivität der Weiterbildung zum Hausarzt zu steigern. Die Bundesärztekammer hat ein Handlungskonzept zur Verbundweiterbildung ausgearbeitet, die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat einen Leitfaden erstellt.

In anderen Ländern, etwa in Großbritannien, Skandinavien und den USA, sind Weiterbildungsverbünde ein anerkannter Weg zur allgemeinärztlichen Qualifikation. "Auch in Deutschland entstehen immer mehr Verbundweiterbildungen", so die DEGAM. (ine)

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Eine pulmonale Beteiligung bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) kann sich mit Stridor, Husten, Dyspnoe und Auswurf manifestieren. Sie zeigt in der Lungenfunktionsprüfung meist ein obstruktives Muster.

© Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Wenn der entzündete Darm auf die Lunge geht

Die elektronischen Monitoring-Devices könnten gezielt Patienten mit unkontrollierter Erkrankung verordnet werden, um zu messen, ob es bei der Inhalation an der Regelmäßigkeit, der Technik oder an beidem hapert und dann genau da zu schulen, wo es Probleme gibt.

© tadamichi / stock.adobe.com

Neue Möglichkeiten

So hilfreich können Smart Inhaler bei Asthma oder COPD sein