Mit der letzten Vergütungsreform wurden die Honorare egalisiert. Jetzt wird über Regionalisierungskomponenten nachgedacht - aber welche? Und: Was ist eine Region?

Von Helmut Laschet

Jahrelang plagten die Ärzte in den KVen der neuen Bundesländer Inferioritätsgefühle: Ihre Vergütung hinkte der der Kollegen im Westen Deutschlands hinterher. Obwohl die Ärzte im Osten mehr Patienten haben und mit einer überdurchschnittlichen Morbidität konfrontiert sind.

Die Honorarreform 2009, die auf langen Vorarbeiten zum Wettbewerbsstärkungsgesetz von 2007 basiert, machte eine im Prinzip vernünftige Zäsur. Sie löste die regional vereinbarten, bis 2008 an der Grundlohnentwicklung orientierten Gesamtvergütungen zugunsten eines morbiditätsorientierten Konzepts ab. Wobei mangels eines objektiven Morbiditätsindexes hilfsweise die historischen Abrechnungswerte als Ausgangspunkt für die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung herangezogen wurden.

Die Folge: Stillschweigende Zufriedenheit in den neuen Bundesländern, wütender Protest in westlichen und südlichen Teilen der Republik, wo die Ärzte unterdurchschnittlich am beachtlichen Gesamthonorarzuwachs beteiligt sind.

Konsequenterweise forderten insbesondere die KVen Bayerns und Baden-Württembergs, unterstützt von ihren jeweiligen Landesregierungen, eine Regionalisierungskomponente.

In der Realität gibt es ein Stadt-Land-Gefälle

Im Prinzip ist das schon jetzt im Gesetz angelegt, stößt aber auf praktische Probleme bei der Realisierung. Beispielsweise bei der Berücksichtigung regional unterschiedlicher Praxiskosten. In der Tat sind Mieten und Personalkosten unterschiedlich - hinreichendes Datenmaterial existiert aber nur auf der jeweiligen KV- und Landesebene. Und hier zeigte sich, dass relevante Kostenunterschiede kaum auszumachen sind.

Der Grund dafür ist, dass - mit Ausnahme der Stadtstaaten-KVen Berlin, Hamburg und Bremen - innerhalb der KVen keine homogenen Kostenstrukturen anzutreffen sind. Für alle Flächen-KVen gilt: Es gibt Ballungsregionen - München, Rhein-Main, Rhein-Ruhr -, in denen die Kostenniveaus überdurchschnittlich sind, in der gleichen KV aber auch ländliche Regionen mit niedrigen Kostenniveaus.

Selbst wenn es möglich wäre, kleinere Wirtschaftsregionen mit in sich homogenen Kostenniveaus sauber zu separieren - so würde sich herausstellen, dass gerade die teuren und wohlhabenden Regionen jene sind, die Ärzte bei ihrer Niederlassung bevorzugen. Vice versa herum müssten Kostenabschläge für Ärzte in jenen Regionen erfolgen, die tendenziell schon jetzt Schwierigkeiten haben, genügend Nachwuchs für die vertragsärztliche Versorgung zu finden.

Also: Die reine Kostenorientierung, vor allem auch wenn sie differenziert erfolgt, wäre kontraproduktiv für die Sicherstellung der Versorgung.

Unter diesem Aspekt wiederum müsste - und kann es dem Gesetz nach prinzipiell - Zuschläge zum Honorar für Regionen geben, die absehbar mit Ärzten unterversorgt sind. Allerdings: Die KBV hat ausrechnen lassen, dass die finanziellen Anreize massiv sein müssten, um Ärzte aufs wenig attraktive Land zu locken: über 8000 Euro pro Monat müsste das KV-System aufwenden. Eine teure Incentivierung.

Pauschalierung versus Einzelleistungsvergütung

Mindestens genauso heikel ist das Petitum der KBV, den in den letzten zehn Jahren eingeschlagenen Weg zur Pauschalierung der Vergütungen umzukehren und die Einzelleistungsvergütung wieder einzuführen.

Die Vorstellung der KBV scheint dabei zu sein: Das, was die Ärzte an Arbeit möglichst differenziert abrechnen, bildet zugleich die Morbidität ab und ist der Nachweis dafür, dass sie existiert.

Eine solche Behauptung kann sich freilich nur gestatten, wer kein historisches Gedächtnis hat. Faktisch war es die Einzelleistungsvergütung in der GKV gewesen, die zunächst Mitte der 80er Jahre freiwillig in Verträgen und ab 2003 auf gesetzlicher Basis in die globale Budgetierung geführt hat. Die Erfahrungen mit vielen EBM-Reformen zeigen: Auf Incentives reagieren Ärzte abrechnungstechnisch mit hoher Elastizität.

Zur Jahresendausgabe 2010 der "Ärzte Zeitung" mit allen Artikeln

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