IGES-Expertise zu Arzteinkommen wird überinterpretiert

Im Durchschnitt kommen Vertragsärzte allein mit Kassenpatienten mindestens auf das gewünschte Oberarzt- Gehalt. Dieses Ergebnis wird vom GKV-Spitzenverband jedoch als untaugliche Munition verwendet.

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IGES-Chef Häussler: Fehlinterpretation der Studie durch die Medien.

IGES-Chef Häussler: Fehlinterpretation der Studie durch die Medien.

© IGES

BERLIN (HL). Nach Berechnungen des Berliner IGES-Instituts im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes kamen Vertragsärzte im gesamtdeutschen Durchschnitt bereits im Jahr 2007 auf einen Reinertrag von 104.620 Euro - nur mit der Behandlung von Kassenpatienten.

Der Gewinn liegt damit nur um knapp 1000 Euro unter dem als erstrebenswert erachteten Oberarztgehalt von 105.572 Euro. Bereinigt man die in die Berechnung einbezogenen Praxen um jene, die nicht Vollzeit arbeiten, also unterdurchschnittliche GKV-Umsätze erzielen, so erhöht sich der Reinertrag aus GKV-Umsätzen je nach Variation auf bis zu 119.500 Euro.

Die Kernaussage des IGES-Gutachtens lautet somit: Trotz eines vereinbarten Orientierungspunktwertes von 3,5 Cent, der deutlich unter dem kalkulatorischen Punktwert von 5,11 Cent liegt, ist das Einkommen aus Vertragsarzttätigkeit im Durchschnitt höher als das Gehalt eines Oberarztes.

Ferner untersucht IGES, ob die Diskrepanz zwischen Orientierungspunktwert und kalkulatorischem Punktwert das Ausmaß an Unterfinanzierung in der ambulanten ärztlichen Versorgung darstellt oder ob das EBM-Kalkulationsmodell die Realität nicht abbildet.

Eine klare Aussage: Kostendaten sind veraltet, wesentliche Annahmen, zum Beispiel über Arbeitszeiten und Produktiväten sind normativer Natur, also geschätzt oder verhandelt, die Dynamik moderner Praxisstrukturen ist nicht abgebildet.

Allein die Zeitangaben für die ärztliche Arbeit scheint IGES um 30 Prozent zu hoch angesetzt. Allerdings: IGES hat nicht, wie die FAZ behauptet, daraus den Schluss gezogen, Ärzteeinkommen seien "überzogen".

Der GKV-Spitzenverband nutzt die Expertise jedoch dafür, in der Diskussion um eine Förderung von Landärzten eine Zusatz-Honorierung abzuwehren. Er bringt dabei eine Zahl ins Spiel - 164 000 Euro Einkommen -, die alt ist und im Gutachten gar nicht erwähnt wird.

Die Bundesärztekammer macht die Verwirrung komplett: In Widerspruch zum Marburger Bund, der erst jüngst eine Umfrage zur Arbeitsbelastung von Klinikärzten veröffentlicht hatte, behauptet die BÄK, die Wochenarbeitszeit von Ärzten betrage nur noch 33,2 Stunden.

Die Folge seien Arbeitszeitverdichtung, Demotivation der Mitarbeiter, längere Wartezeiten. "Arbeit in der Medizin ist unattraktiv geworden."

Aber auch die KBV warnt: Lange Wartezeiten, übervolle Wartezimmer und der Ärztemangel beweise, so KBV-Chef Dr. Andreas Köhler, "dass Krankenkassen und Ärzte alles daran setzten müssten, den Arztberuf attraktiv zu gestalten".

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