Viele Helfer lehnen Psychologengespräche ab

Sowohl bei großen Unglücksfällen und Katastrophen als auch im alltäglichen Notfall werden Einsatzkräfte mit Grenzsituationen konfrontiert. Selbst routinierte Helfer machen die Erfahrung, dass ihre Bewältigungsstrategien nicht immer ausreichen.

Von Eugenie Wulfert Veröffentlicht:
Ein Schockraum-Team der Duisburger Unfallklinik versucht am 24. Juli 2010 das Leben eines Loveparade-Opfers zu retten.

Ein Schockraum-Team der Duisburger Unfallklinik versucht am 24. Juli 2010 das Leben eines Loveparade-Opfers zu retten.

© BGU

BERLIN. Ramstein, Eschede, Erfurt, Winnenden und Duisburg: Diese Namen stehen für unvorstellbares Leid. Innerhalb einer Sekunde verändert sich das Leben vieler Menschen.

Kriseninterventionsteams helfen Opfern und Hinterbliebenen mit dieser Situation zurechtzukommen. Wie gehen aber die Helfer mit den schrecklichen Ereignissen um? Zunehmend werden auch deren Belastungen nach extremen Einsätzen wahrgenommen.

"Es ist unsere Aufgabe, die Einsatzkräfte nach belastenden Einsätzen zu unterstützen", sagte Sören Petry, Bundeseinsatzleiter der Malteser für Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV), bei der ersten bundesweiten PSNV-Tagung in Berlin. Unmittelbar nach den Großeinsätzen würden die Rettungsprofis von den Kollegen des Nachsorge-Teams betreut.

"In kollegialen Gesprächen vor Ort und in den ersten Tagen nach dem Einsatz versuchen wir mögliche akute Belastungsreaktionen zu mildern", sagte Marita Wedi, System- und Traumatherapeutin und Malteser-Einsatznachsorgerin. Damit würden die Weichen für eine gelungene Verarbeitung gestellt.

Sollten Stressreaktionen auch nach einiger Zeit nicht zurückgehen, müsse professionelle Hilfe von Notfallpsychologen in Anspruch genommen werden. Hier kooperieren die Malteser mit dem Berufsverband Deutscher Psychologen.

Allerdings sei das Wohlbefinden von Rettungskräften vor allem durch arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen beeinträchtigt, sagte der Bundeskoordinator für Psychosoziale Notfallversorgung des Deutschen Roten Kreuzes, Michael Steil.

Obwohl die Einsatz-Nachsorge in den vergangenen Jahren ständig weiterentwickelt wurde, scheuen sich noch viele Einsatzkräfte das Angebot anzunehmen. "Viele verweigern das offizielle Gespräch aus Angst vor Stigmatisierung", sagte Steil. Stattdessen würden Einsatzkräfte das inoffizielle kollegiale Gespräch suchen, um das Erlebte zu bewältigen.

Formen der psychologischen Notfallhilfe

Psychosoziale Notfallversorgung: Die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) ist der Oberbegriff für alle psychosozialen Unterstützungen von Menschen in Krisensituationen. PSNV im Einsatzalltag wird von den Einsatzteams der Hilfsorganisationen wie Deutsches Rotes Kreuz und Malteser Hilfsdienst sowie der kirchlichen Notfallseelsorge geleistet. Das System "Psychosoziale Notfallversorgung" umfasst zwei Bereiche: "Krisenintervention/Notfallseelsorge - ein Unterstützungssystem für Betroffene und Angehörige" und "Unterstützung und Betreuung von Einsatzkräften".

Krisenintervention: Vorrangiges Ziel ist Begleitung und Betreuung von Menschen bei der Bewältigung einer schwierigen Lebenssituation. Diese Akuthilfe soll nur so lange gewährt werden, bis sich die Betroffenen in einem stabilen sozialen Umfeld befinden oder in fachkundige Begleitung vermittelt werden können.

Psychosoziale Unterstützung für Einsatzkräfte: Die Unterstützung für die Einsatzkräfte besteht aus einsatzvorbereitenden (Aus- und Fortbildung), einsatzbegleitenden (Begleitung und Beratung während Einsätzen) und einsatznachsorgenden Maßnahmen (etwa Einzel- und Gruppengespräche).

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