Hintergrund

Philipp Rösler geht, Daniel Bahr kommt

Der Stabwechsel im Gesundheitsministerium zeigt: Wer GKV & Co. regiert, kann keinen Blumentopf gewinnen. Rösler braucht als Parteichef ein repräsentatives Amt.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Frisch und unverbraucht: Zum Amtsantritt am 29. Oktober 2009 im Gesundheitsministerium präsentierten sich Philipp Rösler und Daniel Bahr Seit‘ an Seit‘.

Frisch und unverbraucht: Zum Amtsantritt am 29. Oktober 2009 im Gesundheitsministerium präsentierten sich Philipp Rösler und Daniel Bahr Seit‘ an Seit‘.

© dpa

Eine umstrittene Gesundheitsreform und ein Zitat sind das Vermächtnis der Amtszeit von Philipp Rösler: "Der Bambus wiegt sich im Sturm, aber er bricht nicht."

Auf diese Formel brachte Rösler seine freundliche und unnachgiebige Art der Interessendurchsetzung, als es im Streit um kleine und große Gesundheitspauschalen mal wieder in der Koalition krachte.

Jetzt wechselt der Bambus den Standort - und wurzelt künftig im Bundeswirtschaftsministerium. Der von vielen Ärzten mit großen Hoffnungen begrüßte Kollege Rösler ist den Mühlstein Gesundheitsministerium nach 18 Monaten los.

In seiner Antrittsrede im Bundestag am 12. November 2009 platzte Rösler vor Selbstbewusstsein. Sicherlich seien die Reformen von GKV und Pflege nicht "die einfachsten Aufgaben für diese Koalition. Aber wenn es einfach wäre, dann hätten ja auch Sie regieren können." "Sie" - damit war die Opposition gemeint.

Doch das Amt hat Rösler - wie jeden Gesundheitsminister vor ihm - Demut gelehrt. Der Kurs des großen Tankers GKV ist nur schwer zu ändern. "Wettbewerb in der Krankenversicherung heißt Wahlfreiheit für Patienten und Versicherte, aber auch für Leistungserbringer", hieß ein Leitsatz des gelernten Augenarztes in seiner Antrittsrede.

Viel geblieben ist davon im GKV-Finanzierungsgesetz nicht. Der Formelkompromiss über die Gesundheitsprämie im Koalitionsvertrag hielt nicht. Rösler musste eine CSU ertragen, die sich über Monate hinweg in politischer Obstruktion übte.

Am Ende des Hickhacks stehen entdeckelte Zusatzbeiträge und ein komplizierter Sozialausgleich. Das Vorhaben, der GKV einen liberalen Stempel aufzudrücken, ist auf Miniaturgröße geschrumpft - wie bei der überbürokratisierten Mehrkostenregelung.

Ein anderes Problem der Gesundheitspolitik, die fehlende Konstanz von Strukturentscheidungen, offenbart sich im Streit um die Hausarztverträge. Kaum war die Verpflichtung für die Kassen in Kraft getreten, Hausarztverträge anzubieten, legte Rösler den Rückwärtsgang ein und kappte das Honorarniveau der Selektivverträge auf das der Regelversorgung.

Wettbewerb und Vielfalt der Versorgungsformen haben nur in der Prosa des Koalitionsvertrags einen Platz. Als Erfolg kann Rösler verbuchen, dass das lästige Thema der GKV-Finanzen für zwei Jahre vom Tisch ist.

Weil die GKV mit Steuerzuschüssen und Einsparungen bei Arzneimitteln 2011 als ausfinanziert gilt, dürfen erst im Wahljahr 2013 Zusatzbeiträge in breiter Front auf die Versicherten zurollen.

Das soll dann nicht mehr das Problem von Philipp Rösler sein. Er braucht als künftiger Parteichef ein Amt, mit dem sich liberale Werte - und vor allem: gute Botschaften - verbinden lassen. Bisher war es das Privileg von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, vollmundig den "Aufschwung XXL" zu verkünden.

Künftig kann Rösler ein Haus verantworten, das wie kein anderes in der Ressortverteilung des Kabinetts für Ordnungspolitik und Mittelstandsförderung steht. Dagegen hat das Gesundheitsministerium bislang noch jeden Amtsinhaber politisch beschädigt entlassen. Dort wird verteilt, reguliert, budgetiert und gekürzt.

Auf der Habenseite Röslers steht in der koalitionsinternen Wahrnehmung das Arzneimittelmarkt-Neuordnungs-Gesetz (AMNOG). Hier konnte Rösler gerade deshalb Erfolge verbuchen, weil er die Arzneimittelhersteller, die ihn als Bündnispartner wähnten, kalt erwischt hat.

So setzen das AMNOG und die vorgeschalteten Spargesetze auf eine Mischung aus klassischer Kostendämpfung und Strukturreformen. Es entbehrt nicht der Ironie, dass einem liberalen Gesundheitsminister gelungen ist, woran sich rot-grüne Amtsvorgänger die Zähne ausgebissen haben: Die Aushebelung der dauerhaften autonomen Preissetzung für neue Arzneimittel in Deutschland.

Auf einer anderen Baustelle, der Reform der sozialen Pflegeversicherung, hinterlässt Rösler dagegen Brachgelände. Medial attraktive "Pflegedialoge" können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schwarz-Gelb auch mehr als eineinhalb Jahre nach Regierungsantritt noch keinen Reformfahrplan hat.

Röslers designierter Kronprinz ist sein Vertrauter Daniel Bahr. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMG gilt schon bisher in vielen Fragen als Hausmeier Röslers.

Zudem hat Bahr als Vorsitzender des einflussreichen Landesverbands Nordrhein-Westfalen einen festen Stand in der FDP. Ein Politikwechsel im Gesundheitsministerium gilt damit als ausgeschlossen.

Bekanntheit erzielte Bahr vor der letzten Bundestagswahl, als er unter Verweis auf die Duden-Definition den Gesundheitsfonds als "sozialistische Geldsammelstelle" verulkte. Künftig wird er der Chef dieses ungeliebten Fonds sein.

Lesen Sie dazu auch: Daniel Bahr folgt Rösler als Gesundheitsminister

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