Deutschland braucht die gesunden Alten

Junge Menschen werden rar. Angesichts dessen braucht eine alternde Gesellschaft die fitten Senioren. Deshalb müsste mehr in Prävention und Rehabilitation investiert werden. Die Politik reagiert eher verhalten.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Mit dem Versorgungsgesetz Weichen gestellt: Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (mitte) auf dem Gesundheitsgipfel in Bad Füssing.

Mit dem Versorgungsgesetz Weichen gestellt: Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (mitte) auf dem Gesundheitsgipfel in Bad Füssing.

© Torsten Fricke

BAD FÜSSING. In einer alternden Gesellschaft, in der bereits jetzt vielerorts ein Fachkräftemangel feststellbar ist, muss nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr auch das Gesundheitswesen einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen lange gesund und leistungsfähig bleiben.

Beim Gesundheitsgipfel im niederbayerischen Bad Füssing erklärte Bahr, mit dem Versorgungsstrukturgesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, werde den Herausforderungen Rechnung getragen. Allerdings, so Bahr, seien die Strukturen im Gesundheitswesen "noch zu wenig" auf die veränderten beruflichen Vorstellungen von jüngeren Beschäftigten im Gesundheitswesen vorbereitet.

Gesetz soll medizinische Versorgung in der Fläche gewährleisten

Die notwendige gesundheitliche Versorgung einer alternden Bevölkerung vor allem in ländlichen Regionen kollidiere vielfach mit dem Wunsch, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Deshalb gebe es mit dem neuen Gesetz zusätzliche finanzielle Anreize, um die medizinische Versorgung in der Fläche auch in Zukunft zu gewährleisten.

Beim Gesundheitsgipfel, der unter dem Thema "Verlängerung der Lebensarbeitszeit: Herausforderungen und Optionen für die Gesundheitspolitik" stand, diskutierte Bahr mit führenden Vertretern der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung.

Mit auf dem Podium war auch der Vorsitzende des Bayerischen Heilbäderverbandes Klaus Holetschek, der die Krankenkassen aufforderte, ihre Überschüsse vermehrt in Präventionsmaßnahmen zu investieren.

Bei der Prävention müssten Krankenkassen und Wirtschaft enger zusammenarbeiten. Und auch die Kurorte seien in der Lage, mit Präventionsangeboten die demografische Entwicklung abzufedern, meinte Holetschek.

Berufsfähigkeit wiederherstellen durch frühzeitige Rehabilitations-Maßnahmen

Damit Deutschland erfolgreich altern kann, müssen nach Ansicht von Professor Bert Rürup, ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrates, die Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer und die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen gesteigert werden. Ferner müsse die hohe Schulabbrecherquote gesenkt werden.

Auch die Rehabilitation werde einen wichtigen Betrag im Zusammenhang mit der notwendigen Verlängerung der Lebensarbeitszeit zur Bewältigung des demografisch bedingten Fachkräftemangels leisten müssen. Die Wiederherstellung von Berufsfähigkeit durch frühzeitige Rehabilitations-Maßnahmen habe auch einen hohen wirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft, betonte Rürup.

Die demografische Entwicklung sei nicht der einzige Grund, weshalb immer wieder Gesundheitsreformen notwendig werden, meinte der Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Dr. Helmut Platzer. Auch die Finanzierung des medizinischen Fortschritts sei eine ständige Herausforderung, die durch den Gesundheitsfonds nur unzureichend gelöst werde.

Über kurz oder lang werde sich die Gesellschaft deshalb auch einer Priorisierungsdebatte stellen müssen, meinte Platzer. Dabei werde die Festsetzung von Qualitätsparametern eine wichtige Rolle spielen.

Die Entwicklungen der nächsten 20 Jahre seien schon jetzt "ziemlich genau" absehbar, meinte der Vorstandsvorsitzende der DAK, Professor Herbert Rebscher.

"Immer weniger Junge kommen nach"

Klar sei, dass der Bedarf zur Versorgung einer wachsenden Zahl von chronisch Kranken weiter zunehmen wird, während zugleich "immer weniger Junge nachkommen", sagte Rebscher. Die Akteure im Gesundheitswesen, die sich heute mit Investitionsentscheidungen auf diese Entwicklung einstellen, benötigten deshalb Planungssicherheit.

Er sei skeptisch gegenüber großen Reformentwürfen, meinte Dr. Volker Leienbach vom Verband der privaten Krankenversicherung. Das Gesundheitssystem werde sich genau so verändern, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft verändern.

Von allen Sozialversicherungszweigen gebe es nur noch in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Vollversorgung. Auch das werde sich ändern. "Die Eigenverantwortung wird eine größere Rolle spielen müssen", sagte Leienbach.

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