Gastbeitrag

Bei Delegation gehört Ärzten die Meinungsführerschaft

Für die Substitution ärztlicher Leistungen sind lang laufende Modellversuche geplant. Es könnte sein, dass die Politik deren Ende nicht abwartet. Ein Risiko für die Ärzte.

Von Patricia Aden und Fritz Beske Veröffentlicht:
Ärzte müssten die Vorarbeit leisten: Dr. Patricia Aden, Kieler Gesundheitsforscherin.

Ärzte müssten die Vorarbeit leisten: Dr. Patricia Aden, Kieler Gesundheitsforscherin.

© privat

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 20. Oktober 2011 eine Richtlinie zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten an spezialisierte Pflegekräfte verabschiedet.

Diese Richtlinie ist vom Bundesgesundheitsministerium nicht beanstandet worden und damit in Kraft getreten.

Die Richtlinie ermöglicht Modellversuche mit einer Laufzeit bis zu acht Jahren für die Übertragung und damit die Substitution ärztlicher Tätigkeiten auf Krankenpflegekräfte.

15 ärztliche Spitzenverbände haben am 22. Februar in einer Resolution zur Delegation ärztlicher Leistungen die Substitution von Leistungen abgelehnt.

Die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe haben am 15. Februar gemeinsam unter dem Titel "Strategisch/ärztliche Führung im kompetenten Team der Zukunft" Thesen zur Weiterentwicklung der Kooperation von Ärztinnen und Ärzten mit anderen Gesundheitsberufen verabschiedet.

Demgegenüber hat die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz, zur Eröffnung des Kongresses "Pflege 2012" im Januar 2012 eine mittelfristige Substitution ärztlicher Leistungen durch Pflegekräfte angekündigt.

Die Ärzteschaft muss anerkennen, dass es in unserer Gesellschaft und besonders in Verbänden nichtärztlicher Gesundheitsberufe starke Interessengruppen gibt, die eine Stärkung nichtärztlicher Gesundheitsberufe fordern.

Hierzu gehören neben den Pflegeberufen die Hebammen und die Physiotherapeuten. Themen sind die Substitution ärztlicher Leistungen und die Akademisierung. Diese Forderungen finden durchgängig Resonanz bei der Politik.

Derzeit haben wir eine Diskussion nur mit Schlagworten: Professor Fritz Beske.

Derzeit haben wir eine Diskussion nur mit Schlagworten: Professor Fritz Beske.

© IGSF

2013 sind Bundestagswahlen. Es bleibt abzuwarten, ob sich danach ein politisches Klima ergibt, in dem schon kurzfristig entschieden wird. Damit würde fraglich, ob die Politik bereit sein wird, acht Jahre auf die Ergebnisse nicht einmal begonnener Modellversuche zu warten.

Die Diskussion über Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen wird mehr allgemein und schlagwortartig und weniger argumentativ geführt. Dies kann zu übereilten, in der Sache nicht begründeten und durchdachten Entscheidungen führen, was weder im Interesse der von solchen Entscheidungen betroffenen Berufe noch im Interesse des Patienten und der Gesundheitsversorgung als Ganzes liegt.

Was benötigt wird, sind damit sachbezogene und nicht an Interessengruppen oder an politischem Kalkül orientierte Entscheidungen.

Um eine argumentativ ausgerichtete Diskussion führen zu können, ist Vorarbeit erforderlich. Dies bedeutet eine umfassende Aufarbeitung aller relevanten Themen.

Als erstes muss die Frage beantwortet werden, warum und in wessen Interesse dieser Weg gegangen werden soll, wo Defizite liegen und was in der Versorgung mit Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen in der Versorgung des Patienten besser wird, und dies auch unter Berücksichtigung von Interessen der nichtärztlichen Gesundheitsberufe. An Einzelthemen sind dann beispielhaft zu behandeln:

  • unzweideutige Definition von Delegation und Substitution;
  • Leistungen, die delegiert oder substituiert werden sollen;
  • haftungsrechtliche Fragen;
  • Information des Hausarztes über Art und Umfang erbrachter Leistungen;
  • Finanzierung substituierter Leistungen.;
  • Auswirkungen auf die Finanzsituation der Gesetzlichen Krankenversicherung;
  • Leistungsbedarf und Möglichkeiten der Bedarfsdeckung jeweils durch Ärzte oder durch andere Gesundheitsberufe;
  • Patientenorientierung.

Es muss also, wie Dr. Klaus Reichardt, Vorsitzender des Hartmannbunds, fordert, rechtliche Klarheit in allen Fragen bestehen, was nur durch rechtliche Rahmenbedingungen erreicht werden kann .

Da die Ärzteschaft die am stärksten betroffene Berufsgruppe wäre, bietet sich an, dass die Ärzte dabei auch die Meinungsführerschaft übernehmen.

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