"Es stimmt nicht, dass das Gesundheitswesen im Geld schwimmt"

Bei der gesundheitspolitischen Bestandsaufnahme von BDI-Chef Wesiack am Sonntagabend gab es viel Lob, aber auch differenzierte Kritik. Wir dokumentieren Auszüge der Rede, die uns vorab zur Verfügung stand.

Von Wolfgang Wesiack Veröffentlicht:
Dr. Wolfgang Wesiack

Dr. Wolfgang Wesiack

© Zensen / imago

Die gesundheitspolitische Bilanz der schwarz-gelben Regierungskoalition kann sich durchaus sehen lassen. Mit dem AMNOG, dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, dem GKV-Finanzierungsgesetz sowie mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz sind drei große Bereiche mutig und zum Teil auch mit Erfolg angegangen worden. Nach mehr als einem Jahr AMNOG kann man auch eine erste Bilanz ziehen.

Zum ersten Male seit Jahren ist der Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel abgebremst worden; die Honorare für die ärztliche Behandlung liegen wieder über den Arzneimittelkosten. Als Kostendämpfungsgesetz funktioniert das AMNOG also. Aber behindert es damit nicht Innovationen? Und ist die Preisfindung für Arzneimittel fair? Hier ist die Diskussion in vollem Gange, langfristige Folgen sind noch unklar.

Es gibt mit bis zu ca. 35 Milliarden Euro derzeit beträchtliche Überschüsse in der GKV

Ebenso wie das AMNOG hat auch das GKV-Finanzierungsgesetz dazu beitragen, dass nicht mehr jedes Jahr Rettungsoperationen und hastig durchgepeitschte Spargesetze notwendig sind - nein - es gibt sogar mit bis zu ca. 35 Milliarden Euro derzeit beträchtliche Überschüsse in der GKV. Trotzdem ist es schlichtweg falsch, dass das Gesundheitswesen im Geld schwimmt. Die Finanzausstattung in der ambulanten Versorgung ist in vielen Regionen und Fachbereichen unzureichend. Den Kliniken wurden ihre finanziellen Mittel durch Absenkung der Grundlohnrate und Kürzungen bei Mehrleistungen sogar noch gekürzt.

Unsere Position ist deshalb eindeutig. Wir wollen die Kassenüberschüsse für eine Verbesserung in Klinik und Praxis angelegt sehen. Dies beinhaltet eine Rückzahlung des Sonderopfers der Krankenhäuser, eine Steigerung der ambulanten ärztlichen Honorare sowie die Abschaffung der Praxisgebühr, die keinerlei Steuerungsfunktion aufweist, dafür aber einen zeitraubenden und millionenschweren bürokratischen Aufwand verursacht.

(...) Bereits in Kraft aber noch lange nicht gänzlich umgesetzt ist das GKV-Versorgungsstrukturgesetz, mit dem die Politik der Ärzteschaft eine Fülle von neuen Aufgaben zugewiesen hat und mutig den Weg in neue Versorgungsstrukturen weist.

Viele der im Gesetz angelegten Neuregelungen wie die vorgesehene ambulante spezialfachärztliche Versorgung, werden ihre Wirkung erst schrittweise entfalten. Wir haben registriert, dass viele, natürlich nicht alle unserer Vorschläge, den Weg ins Gesetzbuch gefunden haben. Der BDI ist und bleibt ein Befürworter des neuen 116 b.

Neuordnung der Bedarfsplanung

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Neuordnung der Bedarfsplanung, die bereits 2013 in Kraft treten soll und für die Innere Medizin existenzielle Bedeutung besitzt. Werden die fachärztlichen Internisten im fachärztlichen Versorgungsbereich gemeinsam oder nach Schwerpunkten getrennt geplant? Bei einer Aufteilung würden zwar bis zu 3000 neue internistische Arztsitze entstehen, die jedoch nicht durch zusätzliche Mittel der Krankenkassen finanziert, sondern aus der eigenen Fachgruppe alimentiert werden müssten.

Abzugebende Praxen würden praktisch wertlos, frei werdende internistische Arztsitze hätten keine solide wirtschaftliche Basis mehr. Dies ist keine Perspektive für unseren Nachwuchs und kein Konzept, dem Ärztemangel wirksam entgegen zu treten.

Lesen Sie dazu das Interview mit Dr. Wolfgang Wesiack Wahlgewinner Wesiack: Der BDI ist unverzichtbar

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