Bekommt der Norden eine große Koalition?

Vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai wird über viele Koalitionsoptionen spekuliert. Jedoch scheinen die Tage des schwarz-gelben Bündnisses Umfragen zu Folge gezählt.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Norddeutsche Kandidatenpalette (von links oben nach rechts unten): Albig (SPD), de Jager (CDU), Garg (FDP) und Bohn (Grüne).

Norddeutsche Kandidatenpalette (von links oben nach rechts unten): Albig (SPD), de Jager (CDU), Garg (FDP) und Bohn (Grüne).

© [M] dpa | di | Grüne

KIEL. Schleswig-Holstein hat in den letzten Jahren die Koalitionskrise als Dauerzustand kennengelernt.

Als Peter Harry Carstensen (CDU) und Ralf Stegner (SPD) noch zur großen Koalition gezwungen waren, krachte es an der Förde regelmäßig, weil die beiden Parteispitzen, so wurde kolportiert, sich schlicht nicht ausstehen können.

Verglichen mit diesen Zeiten ist die zu Ende gehende christlich-liberale Koalition im Norden fast ruhig verlaufen - und nach der Wahl am 6. Mai droht es im Norden noch stiller zu werden.

Denn die Meinungsumfragen lassen nur wenige Alternativen zur großen Koalition erkennen und die beiden neuen Spitzen der großen Parteien stehen für einen verbindlichen, ruhigen Ton - Kritiker nennen sie farblos.

Die Polterer sind von der Bühne verschwunden

Fest steht: Weder CDU-Mann Jost de Jager, noch Sozialdemokrat Torsten Albig sind polternde Politiker, der nüchterne Konferenzraum liegt ihnen mehr als das Bierzelt.

Beide gelten Kritikern als zweite Wahl. De Jager wurde erst zum Spitzenkandidaten gekürt, nachdem Christian von Boettichers Affäre mit einer Minderjährigen publik wurde.

Und Albig muss sich immer wieder gegen Spekulationen wehren, nur eine Marionette des beim Volk unbeliebten Stegner zu sein.

Sein Lebenslauf zeigt zumindest, dass Albig mit schwierigen Charakteren umgehen kann. Der amtierende Kieler Oberbürgermeister war Pressesprecher im Bundesfinanzministerium unter Oskar Lafontaine, Hans Eichel und Peer Steinbrück.

De Jager ist gelernter Journalist, aber schon kurz nach seiner Ausbildung in die professionelle Politik eingestiegen. Beide sind den Ärzten in der Vergangenheit nur punktuell aufgefallen.

Albig, als er die Delegierten des Deutschen Ärztetages 2011 in seiner Stadt begrüßen durfte. De Jager, als er als Wissenschaftsminister die missglückte Kabinettsentscheidung zur Schließung des Studiengangs Medizin in Lübeck durchsetzen sollte - was erst durch einen Finanzierungstrick mit Unterstützung der Bundesregierung verhindert werden konnte.

Landesbasisfallwert in der Kritik

De Jager hat seitdem in Lübeck einen schweren Stand, auch in der immer wieder aufkommenden Privatisierungs- und Sanierungsdiskussion um das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein kann er als zuständiger Wissenschaftsminister keine Punkte sammeln.

Das gelang mit Themen aus dem Gesundheitswesen in der zu Ende gehenden Legislaturperiode ohnehin kaum einem Politiker.

Neben Landesgesundheitsminister Dr. Heiner Garg verblassten die meisten Politiker, die sich dem Thema widmeten. SPD und CDU und erst recht nicht die Linke oder der SSW haben derzeit einen Politiker im Norden im Wahlkampfeinsatz, der sich mit Gargs Fachwissen messen könnte.

Dr. Marret Bohn von den Grünen weicht im Gegensatz zu manchen ihrer Kollegen auf Nachfragen in gesundheitspolitischen Diskussionen nicht auf Allgemeinplätze aus. Bohn ist derzeit die einzige Ärztin im Kieler Landtag.

Bei einem Thema waren sich die Gesundheitspolitiker in den vergangenen Wochen im Norden einig: alle machen den niedrigen Landesbasisfallwert für die schwierige wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser verantwortlich und fordern Nachbesserungen durch den Bund.

Auch bei einem anderen Thema scherte keiner aus: Niemand sprach sich gegen einen Sicherstellungszuschlag für das kleine Krankenhaus in Brunsbüttel aus.

Interessante Lösungsansätze für die Versorgung blieben Mangelware. Einzige Ausnahme ist das von Garg gegen den Widerstand der Ärzteschaft ins Spiel gebrachte Docmobil, das in unterversorgten Gebieten demnächst erprobt werden soll.

Garg scheut Widerstand der Ärzteschaft nicht

Dass Garg das Modell trotz erheblicher Bedenken startet, erstaunt nicht. Auch wenn politische Gegner dem Volkswirt gern Nähe zu Ärzten unterstellen, hat Garg seine Linie durchgezogen.

Er sucht nach Lösungen für die künftige Versorgung und nimmt dabei in Kauf, auch unbequeme Botschaften zu verkünden. Wenn es sein muss, auch gegen ärztlichen Widerstand.

KV-Chefin Dr. Ingeborg Kreuz beschwerte sich öffentlich über eine nach ihrer Ansicht einseitige Unterstützung des Ministers für Kliniken.

Die Chancen Gargs, im Amt zu bleiben, erscheinen nach den jüngsten Umfragen gering. Die FDP wird keinen anderen Koalitionspartner als die CDU finden.

Auch wenn die Liberalen über die Fünf-Prozenthürde springen, werden beide Parteien zusammen voraussichtlich nicht genügend Abgeordnete im Kieler Landeshaus stellen.

Jenseits von CDU und FDP sind dagegen breite Regierungsbündnisse denkbar. Entscheidend wird dabei unter anderem das Abschneiden der Piratenpartei sein.

Wer aus diesen Bündnissen heraus Gesundheitsminister in Kiel werden könnte, ist nicht absehbar.

2,2 Millionen Bürger sind zur Wahl aufgerufen

2,2 Millionen Wahlberechtigte entscheiden am sechsten Mai über den Ausgang der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Elf Parteien und einige parteilose Bewerber treten an. Die Besonderheit im Norden: Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) ist auf jeden Fall im Landtag vertreten, für ihn gilt die Fünf-Prozenthürde nicht. Sechs weitere Parteien dürfen nach den jüngsten Umfragen auf den Einzug hoffen. Neben CDU, SPD und den Grünen erreicht die Piratenpartei derzeit eine Zustimmung, die ihnen die Mitarbeit im Parlament ermöglichen würde. FDP und Linke dagegen müssen zittern. Den Freien Wählern, der NPD, der Familien-Partei und der Maritimen Union werden dagegen kaum Chancen eingeräumt.

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