Wahl in Niedersachsen

Wahlkampf ohne Gesundheit

Am Sonntag wird in Niedersachsen gewählt. Obwohl in dem Bundesland fast jede zweite Klinik vor der Pleite steht, wird über Bundespolitik diskutiert. Gesundheitspolitik hat da keine Chance.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Wahlplakate der CDU in Niedersachsen: Die Partei setzt ganz auf den bisherigen Landesvater David McAllister.

Wahlplakate der CDU in Niedersachsen: Die Partei setzt ganz auf den bisherigen Landesvater David McAllister.

© Emily Wabitsch / dpa | Peter Steffen / dpa

HANNOVER. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition und das Verfolgerduo aus SPD und Grünen liegen im niedersächsischen Landtagswahlkampf Kopf an Kopf. Nach den jüngsten Umfragen liegen die Herausforderer mit 46 Prozent ein Prozent vor der Regierungskoalition.

Zwar würde Ministerpräsident David McAllister (CDU) bei einer Direktwahl mit 51 Prozent weit mehr Wähler auf sich vereinen als sein SPD-Herausforderer Stephan Weil (33 Prozent).

Aber die meisten Niedersachsen wollen einen Regierungswechsel, so die Zahlen der jüngsten ARD-Umfrage.

Die Wahlkampfstrategie der CDU ist schnell erklärt: der Chef, überlebensgroß. Die Partei setzt ganz auf den Amtsbonus des Ministerpräsidenten.

Eines der wenigen Plakate zur Gesundheitspolitik: Die Linkspartei bezieht Stellung zur Krankenhauspolitik.

Eines der wenigen Plakate zur Gesundheitspolitik: Die Linkspartei bezieht Stellung zur Krankenhauspolitik.

© Die Linke

Die SPD bietet mit Weil den Oberbürgermeister von Hannover auf, im Vergleich zum jovialen, Hände schüttelnden Landesvater ein trockener Sachpolitiker.

Das zurück liegende Fernsehduell verließen die Kontrahenten indessen auf Augenhöhe. Gesundheitsthemen fehlten in ihrer Auseinandersetzung - wie auch fast im gesamten Wahlkampf.

Auch Gesundheits- und Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) wirbt vor allem mit sich selbst. So gehörte ihr Konterfei zu den ersten, die Ende 2012 in Hannover plakatiert wurden - flächendeckend.

Ihr Wahlkreis ist Hannover-Mitte. Erringt sie hier kein Direktmandat, steht sie auf dem dritten Platz der Landesliste. Özkan gilt als Sympathieträgerin.

Wechselt die Regierung in Niedersachsen, soll Cornelia Rundt (SPD), derzeit im Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, das Amt von Özkan übernehmen.

Von der Leyens Bumerang

Rundts Schwerpunkte sind vor allem der Pflegenotstand und der Umgang mit den Folgen des demografischen Wandels. Rundt kritisiert etwa, dass die Gehälter in der Pflege im Nordwesten 20 Prozent unter dem Bundesschnitt liegen.

Özkan tritt mit den relevanten Gesundheitsthemen ihrer eigenen Amtszeit im Wahlkampf kaum an die Öffentlichkeit. Im Gegenteil: Die Kliniken im Land, von denen rund die Hälfte von der Pleite bedroht ist, erhofften sich von Özkan Schützenhilfe in den Verhandlungen mit den Kassen.

Dem Vernehmen nach musste sie zum Jagen getragen werden. Özkan erklärte vergangene Woche, die Kassen sollten angesichts ihrer guten Lage alles Mögliche tun, "um eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen".

Zu der Zeit hingen längst die Wahlplakate der Linken in Niedersachsen. "Statt Spekulanten Krankenhäuser retten!" so die Schlagzeile.

Tatsächlich liegt die Investitionsquote bei den 190 niedersächsischen Kliniken bei lediglich vier Prozent der 7,5 Milliarden Euro, die die Krankenhäuser 2011 eingenommen haben.

Hier fordert die Krankenhausgesellschaft mehr Geld und befindet sich damit auf dem Kurs der Linken. Die Grünen wollen die Investitionen nicht erhöhen.

Unterdessen wurde Özkan von einem Bumerang getroffen, den ihre Vor-Vorgängerin, die heutige Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), geworfen hat: Die "Süddeutsche Zeitung" und der "NDR" berichteten pünktlich zur Wahl über einen internen Bericht zum Verkauf der Landeskrankenhäuser zwischen 2005 und 2007.

Özkan auf dem Absprung?

Danach kritisieren die Prüfer, das Land habe rund 270 Millionen Euro verschenkt, weil der Wert der Häuser nicht ordentlich geschätzt wurde. Nun muss Özkan mitten im Wahlkampf die Scherben des Verkaufs zusammenkehren.

Dabei hätte sie durchaus Themen, mit denen sie sich in ein besseres Licht hätte stellen können: 2010 wurden mit KV, Kassen und Kammern drei ländliche "Zukunftsregionen Gesundheit" aus der Taufe gehoben, um die Chancen der medizinischen Versorgung auf dem Land auszuloten.

6,1

Das finanzielle Engagement des Landes und der Partner ist bescheiden. Gerade mal 300.000 Euro stellen sie bereit. Aus der auf drei Jahre angelegten Initiative hätte Özkan allerdings mehr machen können.

Oder befindet sie sich auf dem Absprung? Sie gilt als aussichtsreiche Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl in Hannover.

Was können Ärzte von den Parteien erwarten? Auf Anfrage der KV Niedersachsen sprachen sich alle Parteien für eine bessere Vernetzung der Sektoren aus. Um mehr Ärzte aufs Land zu locken, wollen die Grünen Ärzten in unterversorgten Gebieten Zuschläge zahlen.

Abschläge in überversorgten Gebieten dagegen sollen in einen KV-Fonds fließen, aus dem die KV Praxisaufkäufe finanzieren kann, um sie stillzulegen.

Während die CDU höhere Honorare "prüfen" will, kritisiert die SPD das Motto "begrenzte Leistung bei begrenzter Vergütung" als verkappte Rationierung. Für eine gerechte Honorierung der Ärzte habe die KV zu sorgen, so die SPD.

659 Kandidaten bewerben sich für 135 Sitze im Landtag

Die Wahlberechtigten in Niedersachsen werden aus 483 Männern und 176 Frauen, die als Landtagskandidatinnen und -kandidaten ins Rennen gehen, 135 Abgeordnete in den Landtag wählen.

Insgesamt schicken 20 Parteien ihre Kandidaten an den Start, darunter die Partei "Nein-Idee Niedersachsen" oder die "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative".

Erstmals tritt das "Bündnis 21/RRP" (Rentnerpartei) an, sowie DIE FREIHEIT - Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie und die Piratenpartei.

Wahl 2008: SPD mit schlechtestem Ergebnis

Bei der Wahl 2008 in Niedersachsen konnten CDU und FDP die Regierungsmehrheit erringen. Angetreten war die schwarz-gelbe Koalition unter dem späteren Bundespräsidenten Christian Wulff.

Trotz erheblicher Verluste (die CDU sackte um 5,8 Punkte auf 42,5 Prozent) konnte mit der FDP, die 8,2 Prozent der Stimmen erreichte, eine Regierung gebildet werden. Knapp hinter der FDP lagen die Grünen mit acht Prozent, die damit ihr bis dahin bestes Ergebnis erzielten.

Anders die SPD: Sie fuhr mit 30,3 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis ein, das sie jemals in Niedersachsen hinnehmen musste. Die Linke schaffte es mit 7,1 Prozenterstmals in einem westdeutschen Flächenland ins Parlament.

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