Demenz

Zwischen Medienhype und Tabuthema

Geht es um Prominente wie Rudi Assauer, ist das Thema Demenz plötzlich in allen Medien tagelang präsent. Doch das vermittelte Bild über die Erkrankung sowie Konsequenzen für Patienten und ihre Angehörigen ist oft wenig realistisch.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Rudi Assauer, ehemaliger Manager des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, bekannte sich im Februar 2012 zu seiner Demenzerkrankung.

Rudi Assauer, ehemaliger Manager des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04, bekannte sich im Februar 2012 zu seiner Demenzerkrankung.

© Rolf Vennenbernd / dpa

LEVERKUSEN. Bei der notwendigen Enttabuisierung der Krankheit Demenz kommt den Medien eine zentrale Bedeutung und damit eine große Verantwortung zu.

Wer sich öffentlich mit dem Thema auseinandersetzt, bewegt sich allerdings auf einem schmalen Grat: Er sollte die Demenz weder als Horror schildern, der das Leben des Kranken und seiner Angehörigen zerstört, noch die Herausforderungen bagatellisieren - denn in beiden Fällen sendet er die falschen Signale.

Nach Angaben der Journalistin und Autorin Anette Dowideit erschienen im Jahr 2000 149 Artikel, die den Begriff "Demenz" enthielten, 2012 waren es schon 1900. "Demenz wird für die Medien immer wichtiger, dennoch ist Demenz immer noch ein Tabuthema", sagte Dowideit auf der Veranstaltung "Demenz in Öffentlichkeit und Medien" der "Rudi Assauer Initiative Demenz und Gesellschaft" in Leverkusen.

Fast immer würden die Demenzpatienten in der Opferrolle dargestellt, das Verhältnis zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen werde zu negativ geschildert. "Das schürt Angst", betonte sie.

Skandalisierung bringt Quote

Gleichzeitig wies Dowideit auf Misshandlungen von Demenzpatienten hin, auf die Ruhigstellung und Fixierung in Altenheimen, weil sich das überforderte Pflegepersonal nicht anders zu helfen weiß.

Niemand dürfte bezweifeln, dass es Aufgabe von Journalisten ist, auf solche Missstände aufmerksam zu machen. Dabei darf es aber nicht um die Quote bringende Skandalisierung gehen, sondern um Aufklärung mit dem Ziel, Abhilfe zu schaffen.

Aufklärung ist nach Einschätzung von Dr. Stefan Spittler, Chefarzt der psychiatrischen Institutsambulanz des Alexianer-Krankenhauses Maria Hilf in Krefeld, der Schlüssel, um der Enttabuisierung der Krankheit näher zu kommen.

"Vor einem Gegner, den man kennt, hat man weniger Angst als vor einem Gegner, den man nicht kennt". So müssten die Angehörigen darauf vorbereitet werden, was durch die Demenz auf sie zukommt.

Die Medien könnten dabei eine entscheidende Rolle spielen - nachdem sie in der Vergangenheit viele Chancen verpasst haben, findet Spittler.

Weder das Bekanntwerden der Demenz des ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan noch der Erkrankungen der Schauspieler Inge Meysel und Peter Falk seien zur Information der breiten Bevölkerung genutzt worden. Aber: "Jetzt ist die Zeit reif."

Hoffnung auf Heilung gibt es nicht

Vorbild könnte der Umgang mit Krankheiten wie Brustkrebs oder Schlaganfall sein. Aufgrund der Informationskampagnen weiß heute fast jeder, was beim Ertasten eines Knotens in der Brust zu tun ist. Auch die Notwendigkeit der schnellen Hilfe beim Schlaganfall ist inzwischen verbreitetes Wissen.

"Eine solche professionelle Unterstützung durch die Medien wünsche ich mir auch bei Demenz", sagte Spittler.

Doch was genau sollen, was können die Medien tun? Anders als bei Brustkrebs oder Schlaganfall gibt es bei der Demenz eben nicht die Botschaft, dass die frühe Diagnose oder die schnelle Versorgung die Prognose deutlich verbessern.

Die Medien können keine Hoffnung auf Heilung machen. Sie können aber zeigen, welche Perspektiven Patienten und Angehörigen nach der Diagnose Demenz haben, welche Unterstützungsmöglichkeiten und Hilfen.

Schließlich gibt es Initiativen, die ein bisschen Mut machen können. Ihre Förderung hat sich die "Rudi Assauer Initiative" auf die Fahnen geschrieben.

"Mutter, wann stirbst Du endlich?"

Die Berichterstattung über Demenz darf nicht zu positiv gefärbt sein, findet Martina Rosenberg. Sie hat ihre demenzkranke Mutter gepflegt und die Erfahrungen in dem Buch "Mutter, wann stirbst Du endlich?" festgehalten.

"Es ist als pflegender Angehöriger frustrierend, ständig von gelungenen Beispielen anderer zu hören", sagte sie.

Positive Momente habe sie persönlich nicht erlebt. "Wir sollten nicht so tun, als wäre es das Leichteste der Welt, die Demenzkranken in unsere Mitte zu nehmen", forderte sie.

Angehörige seien froh, dass sie so offen über das Thema spreche, berichtete Rosenberg. "Viele fühlen sich allein gelassen."

Für die öffentliche Darstellung von Demenzerkrankungen gibt es keinen Königsweg. Dafür haben sie zu viele, auch widersprüchliche Facetten.

"Die Angst können wir den Menschen nicht nehmen, denn sie ist berechtigt", sagte Stefanie Oberfeld, Leiterin des gerontopsychiatrischen Zentrums des Alexianer Krankenhauses Münster und Demenzbeauftragte der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Wichtig sei, die Patienten und die Angehörigen ernst zu nehmen.

Oberfeld zog eine Parallele, die auch für die Behandlung des Themas in den Medien gelten könnte. Wenn ein Kind geimpft werden muss, sollte man nicht sagen, dass es nicht weh tut, weil das eine Lüge ist. "Wir müssen sagen: Es tut weh, aber Du bist nicht allein."

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