Prognose für 2030

Demografie macht Deutschland ungleicher

Boomen und Schrumpfen zugleich: Großstädte und Ballungsgebiete werden mit teilweise starkem Zuzug zu kämpfen haben. Dagegen machen viele ländliche Regionen vor allem im Osten einen kontinuierlichen Schrumpfungsprozess durch.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Ganz schön voll hier: Die Infrastruktur mehrerer großer Städte wird durch kontinuierliche Zuzüge unter Druck geraten. Anders auf dem Land: Dort wird die vorgehaltene Infrastruktur vielerorts bald zu groß sein.

Ganz schön voll hier: Die Infrastruktur mehrerer großer Städte wird durch kontinuierliche Zuzüge unter Druck geraten. Anders auf dem Land: Dort wird die vorgehaltene Infrastruktur vielerorts bald zu groß sein.

© adisa / fotolia.com

BERLIN. Planer für die medizinische und soziale Infrastruktur von morgen können sich schon heute ans Werk machen. Klaus-Heiner Röhl vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft hat "Konzentrations- und Schrumpfungsprozesse in deutschen Regionen und Großstädten bis 2030" untersucht.

Sein Fazit: der Infrastruktur in vielen Ballungsräumen droht Überlastung, in der Peripherie dagegen müssen zunehmend auch kleinere Städte ohne Hochschulen viel Geld für den Rückbau oder den Erhalt überdimensionierter Einrichtungen in die Hand nehmen.

Kernergebnisse des IW-Forschers, der, abhängig von der Zuwanderung, jeweils drei Szenarien für die Einwohnerentwicklung berechnet hat:

Bereits seit rund zehn Jahren lässt sich eine "Reurbanisierung" beobachten: Berlin hat allein im Jahr 2012 rund 50.000 Einwohner hinzugewonnen, in München ist die Zahl seit der Jahrtausendwende um 14 Prozent auf zuletzt knapp 1,4 Millionen gewachsen. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

Für München prognostiziert das IW einen Zuwachs um fast 30 Prozent, in Frankfurt sollen es 24 Prozent sein. Um 14 Prozent könnte die Einwohnerzahl in Berlin und Köln steigen, elf Prozent plus sollen es in Hamburg sein.

Sehr unterschiedlich fällt die Entwicklung bei den Großstädten zwischen 500.000 bis 600.000 Einwohnern aus: Dresden und Leipzig wachsen am schnellsten (plus 22,5 Prozent), Stuttgart (14 Prozent) und Düsseldorf (zehn Prozent) etwas weniger stark. Bremen gewinnt nur geringfügig Einwohner hinzu, Essen und Dortmund sind dagegen Schrumpfriesen.

Nimmt man die Großräume mit ihrem Umland in den Blick, so leben schon gegenwärtig in diesen sogenannten Metropolregionen mehr als 22 Millionen Menschen, fast 28 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dies gilt für die Großräume Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Stuttgart sowie für das Ruhrgebiet und die "Rheinschiene" Düsseldorf-Köln-Bonn.

Gleichwertige Lebensverhältnisse? Das gilt nur noch formal

Auch hier legt die Mehrheit dieser Regionen zweistellig zu: München um 24 Prozent, Berlin-Potsdam um 14,5 Prozent, Frankfurt um elf und Hamburg um zehn Prozent. Stuttgart und die Rheinschiene gewinnen sechs Prozent Einwohner hinzu. In unmittelbarer räumlicher Nähe dazu wird das wirtschaftlich schwache Ruhrgebiet nach der IW-Prognose Einwohner verlieren.

Verlierer der Entwicklung werden, mit Ausnahme einiger Städte wie Dresden, Leipzig, Erfurt, Jena und Rostock alle Ost-Kreise sein. Im Kreis Görlitz wird der IW-Studie zufolge der Rückgang bei über 24 Prozent liegen, am stärksten wird die Schrumpfung im Kreis Mansfeld/Südharz (Sachsen-Anhalt) und im Elbe-Elster-Kreis (Brandenburg) mit 28 Prozent ausfallen, in Greiz (Thüringen) sind es minus 26 Prozent.

Aber auch in den alten Ländern gibt es Schrumpfinseln, so im bayerischen Wunsiedel im Fichtelgebirge (minus 20 Prozent), im Kreis Freudenstadt in Baden-Württemberg (minus elf Prozent) oder im nordhessischen Vogelsbergkreis (minus 19 Prozent).

Vor diesem Hintergrund, so das IW, müsse das Postulat des Grundgesetzes, das gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland verspricht, "zumindest neu interpretiert werden".

Die Daseinsvorsorge könne nicht in allen Regionen in der bisherigen Dichte vorgehalten werden, Konzentration der Infrastruktur auf größere Orte wäre eine Antwort.

Regionen Skandinaviens oder Nordamerikas haben viel Erfahrung mit der Organisation von Daseinsvorsorge in großen, dünn besiedelten Landstrichen gesammelt. Die deutsche Regionalpolitik aber verharrt in alten Denkmustern, die "Bereitschaft zur Übernahme ausländischer Vorbilder scheint steigerungsfähig", heißt es in der IW-Studie.

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