Deutschland

Viele Drogentote wegen Methadon und Co.

Sechs Prozent mehr Drogentote in Deutschland: Unter den Opfern sind auch rund 250 Menschen, die bei Substitutionsärzten in Behandlung waren, wie ein neuer Bericht zeigt. Nur an Heroin starben mehr Abhängige als an Methadon und Co.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:

BERLIN. Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist erstmals seit 2009 wieder leicht angestiegen. 2013 starben sechs Prozent mehr Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums als 2012.

Das zeigt ein neuer Report, den das Bundeskriminalamt und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung am Donnerstag in Berlin vorgestellt haben.

Der Bericht zur Drogenkriminalität und Sucht-Todesfällen listet insgesamt 1002 Todesfälle im vergangenen Jahr auf - 2012 waren es 944 gewesen.

83 Prozent der Toten sind männlich. Bei den Frauen gab es 16 Todesfälle weniger als im Vorjahr. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen betrug 38 Jahre.

Das steigende Alter ist als Trend zu begreifen. "Es ist vor allem auf die gute gesundheitliche Versorgung von Rauschmittelabhängigen in unserem Land zurückzuführen", betonte Marlene Mortler (CSU), die Drogenbeauftragte des Bundes.

Allerdings bestehen Zweifel an der Substitutionstherapie. Substitutionsmittel wie Methadon stehen an zweiter Stelle der drogenbedingten Todesursachen. 255 Menschen in Substitutionsbehandlung verloren dem Bericht zufolge aufgrund von Vergiftungen durch Methadon, Buprenorphin und anderen Substituten ihr Leben. Meistens waren dabei noch weitere Substanzen im Spiel.

"Auffällig", urteilte Mortler. Methadon sei ein bewährtes Mittel, das unter ärztlicher Beobachtung konsumiert werde. Die weiterhin hohe Zahl von Todesfällen unter Substitutionspatienten, so Mortler, fordere genauere Analysen: "Weil es durch die sorgfältige Behandlung durch Ärzte eigentlich keine Todesfälle geben sollte."

Die Ergebnisse aus einer Untersuchung sollen dann Grundlage für mögliche Nachbesserungen im Suchthilfesystem sein.

Crystal Meth auf dem Vormarsch

Noch vor dieser Gruppe liegen die Todesfälle aufgrund des Konsums von Heroin in Verbindung mit weiteren Rauschmitteln. 474 Herointote waren zu beklagen. Insgesamt stehen die Opiatkonsumenten für zwei Drittel aller drogenbedingten Todesfälle des Jahres 2013.

Mit Blick auf in die Zukunft bereitet Experten besonders ein Suchtstoff große Sorgen: kristallines Metamphetamin, das sogenannte Crystal Meth. "Die Zahl von erstauffälligen Konsumenten von Crystal Meth hat 2013 um sieben Prozent zugenommen", berichtete der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke.

Die Polizei stellte die Droge 3847 mal im vergangenen Jahr sicher - im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von etwa zehn Prozent. Sichergestellt wurden 77 Kilogramm - mehr als je zuvor. Besonders häufig fündig wurden die Beamten in Sachsen, Thüringen und Bayern, die nahe am Hauptproduktionsort der Droge, der Tschechischen Republik, liegen.

"Die Konsumenten erhoffen sich mit Crystal besser im Alltag zu funktionieren", berichtet Mortler. Die gesundheitlichen Folgen seien schwerwiegend. Effekte der wachsenden Zahl von Crystal-Konsumenten werden sich in den kommenden Jahren merklich auf die Zahl der Drogentoten auswirken, hieß es.

Sorgen bereite auch weiterhin der hohe Cannabis-Konsum. "Haschisch und Marihuana machen fast 60 Prozent aller Rauschgift-Handelsdelikte aus", sagte Ziercke. Mit mehr als 145.000 polizeilich registrierten Delikten wurde ein neuer Höchststand seit 2008 erreicht.

Forderungen nach der Legalisierung von Cannabis wies Mortler zurück. Für sie wäre das eine Resignation auf allen Ebenen. Sie wolle vielmehr über die gesundheitlichen Konsequenzen der Droge aufklären als die Droge durch eine Legalisierung zu verharmlosen.

Opposition ätzt: Verfehlte Drogenpolitik

Die Opposition reagierte auf die gestiegene Zahl der Drogentoten indes mit scharfer Kritik. Sie sei Ausdruck einer verfehlten Drogenpolitik, mahnte Harald Terpe von den Grünen. Ein großer Teil der Todesfälle sei vermeidbar gewesen.

Beispielsweise durch Drogenkonsumräume, die es aber nur in sechs der 16 Bundesländer gebe. Dies wies Mortler jedoch mit der Begründung zurück, dass Hamburg solche Einrichtungen vorhalte, jedoch einen Anstieg der Drogentoten verzeichnen musste.

Bayern hatte in der Auswertung die meisten Drogentoten zu beklagen. Dort staben insgesamt 230 Menschen an ihrem Drogenkonsum.

Die Experten warnten, aus dem aktuellen bundesweiten Anstieg falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Es gebe immer Wellenbewegungen in der Entwicklung der Zahl der Drogentoten. Die hänge mit den gesundheitlichen Langzeitfolgen von Drogenabhängigkeit zusammen, die irgendwann zum Tod führen müssten.

Zudem würden nur 60 Prozent der Verstorbenen obduziert werden und damit eine eindeutige Aussage zu den Todesursachen erlauben.

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