Wahl in Sachsen

Schwarz sucht Partner

Am Sonntag wird in Sachsen gewählt. Vieles spricht für eine schwarz-rote Koalition - und Kurskorrekturen in der Gesundheitspolitik.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Stanislaw Tillich ist der Ministerpräsident Sachsens - und will es bleiben.

Stanislaw Tillich ist der Ministerpräsident Sachsens - und will es bleiben.

© Jan Woitas / dpa

DRESDEN. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) beschreibt die Sonderrolle seines Freistaats gerne so: "Sachsen ist nicht Berlin".

Zumindest, was das für seine Partei prognostizierte Ergebnis bei der bevorstehenden Landtagswahl angeht, herrschen in Sachsen gerade sehr wohl Berliner Verhältnisse.

Bei rund 40 Prozent werden die Christdemokraten laut aktuellen Umfragen am 31. August wohl landen, und damit ein ähnliches Ergebnis einfahren wie vor einem Jahr die Bundespartei. Spannend wird in Dresden eher das Abschneiden der potenziellen Koalitionskandidaten.

Und dabei sind einige Fragen offen: Schafft die FDP, bisheriger Koalitionspartner der CDU, das Wunder von Dresden, also den Einzug in den Landtag? Kann die SPD die derzeitigen Umfrageergebnisse von bis zu 15 Prozent halten und damit das Zehn-Prozent-Ghetto verlassen?

Fliegt die NPD tatsächlich raus, worauf ihre derzeitigen drei Prozent Zustimmung hindeuten? Und wie sollen die Etablierten mit der AfD umgehen, die einerseits mit aktuell sieben Prozent Zustimmung eben für jenen Rauswurf sorgen könnte, selbst aber schon für die Rolle im parlamentarischen Abseits vorgesehen ist - oder vielleicht nicht?

Neue Spitze im Gesundheitsressort?

Fragen, die auch Tillich wahrscheinlich gerade mehr umtreiben als sein eigenes Wahlergebnis, schließlich sieht es derzeit nicht nach einem Wunder für die FDP aus, sie verharrt bei drei Prozent. Tillich braucht womöglich einen neuen Partner. Die Linken, mit derzeit um die 20 Prozent absehbar wieder zweitstärkste Kraft, sind ausgeschlossen.

Die Grünen wären der konservativen sächsischen Basis schwer zu vermitteln, dann schon eher die AfD, was aber in der Bundes-CDU und auch bei Tillich selbst Unbehagen auslösen würde. Am wahrscheinlichsten scheint daher eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition, die bereits zwischen 2004 und 2009 regierte, damals allerdings mit einem marginalisierten sozialdemokratischen Part.

Das wäre diesmal anders, SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig strotzt vor Selbstbewusstsein. Möglich, dass die SPD auch auf das Gesundheitsressort schielt - es wäre allerdings das erste Mal seit der Wende, dass die CDU dieses aus der Hand gibt.

Trotzdem: Der Koalitionspartner wird das Regierungsprogramm mitformulieren, die neue sächsische Gesundheitspolitik auch dessen Handschrift tragen. Vor allem im Pflegebereich könnte dies Auswirkungen haben.

Im Wahlprogramm der CDU ist die Gesundheitspolitik sekundär. Das passt zur sächsischen Gesundheitspolitik der vergangenen Legislatur, in der oft der Landes-KV die Initiativen überlassen wurden. Erinnert sei an die "Landverschickung" angehender Medizinstudenten nach Ungarn.

Die Zurückhaltung des Ministeriums mag auch darin begründet sein, dass schon der Name das Programm vorgibt: Staatsministerin Christine Clauß steht dem Ministerium für Soziales und Verbraucherschutz vor.

Kampf gegen Ärztemangel

Gesundheitspolitik ist in Sachsen vor allem der Kampf gegen die Auswirkungen des demografischen Wandels, der zu einer medizinischen Versteppung auf dem Land zu führen droht.

Dem versucht die Staatsregierung bisher unter anderem mit einem forcierten Ausbau von Telemedizinprojekten zu begegnen und Förderprogrammen für Medizinstudenten, die sich verpflichten, sich in unterversorgten Regionen niederzulassen.

Andere Forderungen von Ärztevertretern hingegen blieben bisher ungehört: Etwa jene, mehr Lehrstühle und Studienplätze für Allgemeinmediziner zu schaffen. Ein Anliegen, das inzwischen allerdings auch der Sachverständigenrat und Bundesminister Hermann Gröhe (CDU) unterstützen - und damit nach der Wahl auch in Sachsen Niederschlag finden könnte.

Die sächsische CDU setzt auf eine Fortsetzung des bisherigen Kurses in der Gesundheitspolitik, mit dem Versprechen der Stabilität kann in Sachsen erfahrungsgemäß immer noch am besten Wahlkampf gemacht werden. Die Telemedizin soll weiter ausgebaut, Landärzte weiter gefördert werden.

Für Unruhe unter Ärzten könnte ein kleiner Absatz im Wahlprogramm sorgen, der die Worte Delegation oder gar Substitution ärztlicher Leistungen zwar vermeidet, aber doch stark daran erinnert: Die CDU setze sich "für eine verstärkte Einbindung von Gesundheitsfachberufen" ein, "um den Medizinern die Konzentration auf die Kernaufgaben zu erleichtern".

Rettungsdienst bleibt umstritten

Dass der Kampf gegen den Ärztemangel entschieden geführt werden muss, darüber besteht in Sachsens Parteien nahezu Einigkeit, meist auch bei der Wahl der Mittel. Konfliktfelder, zumal mit der SPD, liegen woanders, zum Beispiel bei der Organisation des Rettungsdienstes.

Das von der Landesregierung beschlossene "Blaulichtgesetz" ist in Sachsen hoch umstritten und wird nicht nur von SPD und Linken, sondern auch den Kommunen, strikt abgelehnt.

Das Gesetz schreibt vor, dass Rettungsdienstleistungen von den Landkreisen anders als bisher ausgeschrieben werden müssen. Das würde, sitzt die SPD am Koalitionstisch, wohl noch einmal verhandelt werden müssen.

Gleiches gilt für das Thema Pflege, hier wirft die SPD der CDU Tatenlosigkeit vor. Kernforderungen der Sozialdemokraten sind die Sicherung des Fachkräftenachwuchses und eine bessere Koordination von ambulanter und stationärer Pflege.

Punkte, mit denen sich die CDU wohl arrangieren könnte, fordert doch auch sie eine stärkere Vernetzung, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. - Die Wahlprogramme der Parteien:

CDU: Neue Maßstäbe in der Versorgung

"Der Freistaat soll Maßstäbe in der Telemedizin genauso setzen wie in der traditionellen Versorgung in Arztpraxen und Krankenhäusern", verspricht die CDU. Außerdem mehr und leichter zugängliche Studienplätze für angehende Landärzte. Krankenhäuser sollen genügend Geld erhalten, um den "hohen technischen Standard erhalten und verbessern" zu können. Neben dem auf Vernetzung ausgelegten Geriatriekonzept kündigt die CDU eine Initiative "Pro Pflege Sachsen" an.

SPD: Keine Privatisierung bei Kliniken!

Die SPD will die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft unterstützen. Ebenso kündigt sie an, "leistungsfähige Krankenhäuser durch ausreichende Investitionen zu erhalten." Ziel müsse es sein, Privatisierungen zu verhindern. Ein neues Landespflegegesetz soll "Grundlage für klare Verantwortlichkeiten in der kommunalen Altenhilfeplanung" werden. Ein Pflege-Tarifvertrag soll kommen.

Die Linke: Mobile Arztpraxen auf dem Land

Auch die Linke unterstützt zusätzliche Medizinische Versorgungszentren und eine Auflösung strikter Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, vor allem auf dem Land. Für ländliche Regionen werden mobile Arztpraxen vorgeschlagen und "Gemeindeschwestern", die nicht-ärztliche Tätigkeiten übernehmen sollen. Strikt abgelehnt wird von der Linken die Privatisierung von Kliniken. Zudem wird eine höhere Investitionspauschale gefordert.

FDP: Telemedizin stärker ausbauen

Die Liberalen wollen die Telemedizin ausbauen und "Potenziale verschiedener ärztlicher Kooperationsmodelle" nutzen, um die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern. Wie die CDU plädieren sie für die Etablierung neuer Gesundheitsberufe wie den des Chirurgisch-Technischen Assistenten. Mehr Studienplätze für Mediziner sollen geschaffen werden und der Zugang nicht allein von der Abiturnote abhängen.

Bündnis 90 / Die Grünen: Klarer Fokus auf Pflegepolitik

Die Grünen sehen den größten Handlungsbedarf im Pflegebereich und wollen auf Landesebene unter anderem eine Anlaufstelle für pflegende Angehörige schaffen. Die Ausschreibungspflicht in der Notfallversorgung soll abgeschafft werden. Einen Fokus wollen die Grünen außerdem auf Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen legen, jährlich koste dies die Versicherten im Freistaat eine viertel Million Euro, heißt es.

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