Saarland

Gröhe und die jungen Flüchtlinge

Im Saarland hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eine Aufnahmestelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und die Landesaufnahmestelle besucht. Dabei hat er auch zu politischen Fragen Stellung bezogen.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (links) und die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sprechen in der Landesaufnahmestelle Lebach mit syrischen Flüchtlingen.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (links) und die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sprechen in der Landesaufnahmestelle Lebach mit syrischen Flüchtlingen.

© Oliver Dietze / dpa

ST. WENDEL / LEBACH. Der Besuch von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) in zwei Flüchtlingseinrichtungen des Saarlandes (wir berichteten kurz) ist auf großes Interesse gestoßen.

Auch, weil mit Spannung erwartet wurde, was der Minister zu brennenden Themen wie der elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge sagen würde, die es in Bremen und Hamburg bereits seit längerem gibt; Nordrhein-Westfalen hat sie in der letzten Woche beschlossen.

Gröhe erklärte, er befürworte die Einführung der Gesundheitskarte durch die Bundesländer. "Dass es rechtlich möglich ist, zeigen laufende Modelle", sagte der Minister bei einem Besuch des Clearinghauses St. Wendel. Die Gesundheitskarte könne die Abrechnung bei der Behandlung von Asylbewerbern vereinfachen und verringere den Verwaltungsaufwand der Kommunen.

Widerspruch zur Unions-Haltung

Gleichzeitig betonte er noch einmal, dass diese Kosten nicht von den gesetzlich Versicherten getragen werden müssten: "Gesundheitsleistungen sind Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und werden aus Steuermitteln bezahlt."

Damit widerspricht Gröhe der offiziellen Haltung seiner Partei: Die Union sperrt sich nach Meldungen vom Donnerstag gegen die Gesundheitskarte, weil diese für eine kostenlose Gesundheitsversorgung in Deutschland stehe und Anreize für Asylanträge schaffen würde.

Gefragt, wo der Bund finanziell noch nachbessern könne, erinnerte Gröhe bei seinem Besuch in St. Wendel daran, dass der Bund die in Aussicht gestellte Unterstützung bereits auf eine Milliarde Euro verdoppelt habe. Beim für den 24. September angesetzten nächsten Flüchtlingsgipfel müssten Bund, Länder und Kommunen über strukturelle Beteiligungen sprechen.

Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer sagte mit Blick auf den Gipfeltermin, Länder und Kommunen bräuchten vom Bund ein grundsätzliches Signal, dass er sich auch künftig an den Kosten beteilige.

Der erste Schauplatz des Ministerbesuchs im Saarland war das Ende August eröffnete Clearinghaus in St. Wendel, in dem aktuell 25 unbegleitete minderjährige Jungen aus Syrien, Afghanistan und Eritrea leben.

Das ehemalige Kasernengebäude ist die dritte Aufnahmestelle dieser Art im Saarland. Die Jugendlichen, die hier leben, sind damit beschäftigt, Deutsch zu lernen und ihre Zukunft in der neuen Heimat zu planen.

Die jungen Menschen und ihre Vorstellungen könnten auch Auswirkungen auf die Versorgung in Deutschland haben. Denn einige von ihnen können sich durchaus vorstellen, den Weg in den Gesundheitssektor einzuschlagen.

Arzt möchte er werden, erzählt der 15-jährige Kamal, der aus dem syrischen Aleppo mit dem Boot übers Meer floh und anschließend 20 Tage zu Fuß unterwegs war. Apotheker ist der Berufswunsch des ebenfalls aus Aleppo stammenden 17-jährigen Majad.

Könnten sie auch eine Rolle im chronisch unterbesetzten Pflegebereich spielen? "Sektoren wie die Pflege sind auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen", sagte Gröhe auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung". "Wir müssen sehen, wie wir die, die dauerhaft hierbleiben wollen, mit Spracherwerb und sehr guter Bildung qualifizieren."

Dabei kann ein Migrationshintergrund positiv verstanden werden: "Ärzte, die die Sprache von Flüchtlingen sprechen, können eine wichtige Hilfe bei der Versorgung von Flüchtlingen sein. Sie haben eine Art Doppelqualifikation", so Gröhe.

Zukunft in Deutschland

Kramp-Karrenbauer sagte, sie hoffe, dass vielleicht sogar durch die Institution des Clearinghauses der ein oder andere junge Mensch dazu inspiriert werde, beruflich in einem sozialen Sektor Fuß zu fassen - "aber natürlich ganz nach Gusto!", so die Ministerpräsidentin.

Betrieben wird die Einrichtung von der Saarland-Heilstätten GmbH (SHG), einem Träger von Krankenhäusern, Rehakliniken, ambulanten pflegerischen und berufsbegleitenden Diensten, medizinischen Versorgungszentren und einem Seniorenzentrum mit insgesamt rund 5000 Mitarbeitern.

SHG-Geschäftsführer Alfons Vogtel sagte, sollten die Jugendlichen Interesse an einem Gesundheits- oder Sozialberuf haben, könne man dabei behilflich sein.

Beim Zahnarzt wird es kompliziert

Die Bewohner berichteten den Journalisten, dass sie ihre im Heimatland gebliebenen Familien vermissten und hofften, dass diese bald nach Deutschland nachkommen könnten. "Im Moment wollen sie hierbleiben, die Schule beenden und studieren", sagte die irakische Ärztin Dr. Naheta Al-Jewaheri, die im Clearinghaus als Pädiaterin angestellt ist und auch als Übersetzerin fungiert.

Sie sprach sich für die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für ihre Schützlinge aus. "Wir können hier nicht alle gesundheitlichen Probleme alleine lösen", betonte sie.

Generell funktioniere ihrer Erfahrung nach die Kostenerstattung mit Krankenhilfe-Bescheid, wenn ein Flüchtling extern zum Arzt müsse, gut. Nur bei Zahnarztbesuchen sei es komplizierter, zum Beispiel beim Nachjustieren von bestehenden Zahnspangen.

Nach dem Clearinghaus besuchte Bundesminister Gröhe die Landesaufnahmestelle in Lebach, wo er sich über die Erstunterbringung informierte und bei einem Rundgang einen Blick auf die Lebensumstände der Flüchtlinge werfen konnte.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Minister-Visite im Geschwindschritt

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